Im Land der Regenbogenschlange
vielen anderen. Sie sind die Tatsachen, die Welt. Die beiden erzählen uns etwas über Mann und Frau, über die Menschen. Ãber uns.
Beschwingt nehme ich im Bus Platz, Richtung Coober Pedy, das 22 Stunden ferne Ziel. Auch beflügelt von einer würzigen Marihuana-Zigarette, die mir Jim, einer der Roadies noch spendiert hat. Ich will nicht klagen, gute Storys und gutes Gras erhöhen das Lebensgefühl, beide steigen zu Kopf und reizen die Glückshormone.
Die Nachtfahrt wird angenehm, es gibt viel zu lachen, viel zu lernen. In der Zeitung steht, der Gefängnis-Chef von Gaza habe beschlossen, dass jeder Insasse, der sich einen Bart wachsen lässt und fünf Seiten aus dem Koran auswendig lernt, ein volles Jahr von seiner Strafe abgezogen bekommt. Das HinreiÃende an der Dummheit ist, dass sie uns immer wieder überrascht. Sie erreicht Höhen und Abgründe, die wir ihr nie zutrauten.
Und daneben steht ein Interview mit Leonhard Cohen, dem kanadischen Sänger, der mit 73 aussieht wie alle 73-Jährigen aussehen möchten. Er redet über Schönheit, und dass er noch immer nichts Schöneres entdeckt habe als die Schönheit einer Frau. Angst und Nervosität würde sie in ihm auslösen. Aber es gebe eine andere Schönheit und die würde ihn nichts als beruhigen. Die Schönheit eines Tisches. Er achte sehr darauf, immerhin ist er Dichter, und Dichter verbringen einen groÃen Teil ihres Lebens in unmittelbarer Nähe dieses Möbels. Wie weise.
Und ich finde eine ausgezeichnete Kritik über Jacob G. Rosenbergs Sunrise West. Jenem Schriftsteller, von dem ich bereits vor Wochen gehört und dessen Buch ich inzwischen gelesen habe. Die Lobeshymne bestärkt mich nur in dem Wunsch, den Mann in Melbourne zu besuchen. 85 Jahre sein und so scharf, so analytisch denken können. Auf dem Cover des Buches sieht man Rosenberg, daneben seine Frau Esther, die sich bei ihm einhakt, 1948 in Marseille aufgenommen, kurz bevor sie mit dem Schiff nach Australien auswanderten. Ein schönes Paar, blutjung und elegant, beide. Man käme nie auf die Idee, dass sie Auschwitz, Dachau und Bergen-Belsen bereits hinter sich haben. Ich ertappe mich dabei, die Kritik zweimal zu lesen. Vielleicht hat es damit zu tun, dass mich wieder eine Sehnsucht nach Sophistication überkommt, nach Gedanken und Gedankentiefe, nach Zeitgenossen, deren dringendstes Bedürfnis einmal nicht die nächste Bierdose ist.
Und eine Radiosendung belebt. ABC bringt einen Text, der schlicht Sex after divorce heiÃt, und famos begabt von einer Schauspielerin â sie spielt die Geschiedene â vorgelesen wird. Die trauen sich etwas im staatlichen Rundfunk. Und nicht eine Zeile vulgär, nur dreist wahrhaftig und wirklichkeitstreu, hier ein Auszug: »Ach, Masturbation, was für ein ödes Unternehmen. Ach, One-Night-Stand, welch Risiko, einem Rüpel anheimzufallen. Ach, Massage, was für ein lausiger Ersatz für die Berührungen eines Mannes, der weiÃ, was ich will. Und ich will Sex, will spüren, will mich hingeben, will ihm zeigen, wie gut ich es kann. Verdammt, wer küsst mein unberührtes, ungeküsstes, sexloses Gesicht? Irgendwelche Vorschläge, girls?« Wäre das auf BBC gelaufen, man hätte vor lauter Beeps nichts mehr verstanden. Hier nicht, hier unterstehen sich Frauen, öffentlich zuzugeben, dass sie Gelüste verspüren. Bravo.
Morgens kurzer Zwischenstopp in Alice Springs, den Bus wechseln, nochmals 700 Kilometer nach Süden, immer auf dem Stuart Highway. Und ein Fahrer übernimmt das Steuer, der dazu beiträgt, den Lebenssinn aller Anwesenden zu erhöhen. Denn er legt eine DVD ein und kein Bimbo-massakriert-Bimbo -Streifen läuft, sondern ein klug gemachter, unterhaltsamer Dokumentarfilm über Down Under. Ich wetze sofort nach vorne, das will ich sehen. Und sehe superbe Bilder und höre einen sauber recherchierten Text über die Entstehung Australiens, seine Landschaften, seine Tiere, seine Völker. Und als roter Faden ein Klischee, aber trotzdem herzanrührend: Eine Känguru-Mutter und ihr Junges, dessen Kopf und vier Pfoten aus dem Bauchladen lugen. Man schmilzt, so sweet kann Liebe und Fürsorge aussehen. Und so blitzgescheit und hell kann man »Tele-Vision« einsetzen, wenn Leute dafür arbeiten, die noch etwas anderes treibt als Raffgier und nackter Zynismus.
Noch ein prinzipielles Wort, da Anmerkungen von mir zum
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