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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Altmann Andreas
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Schlosser, Farmer, Arbeitsloser, rasselt wie ein Conferencier, zählt die Amateure nach, sieben, zählt seine Profis nach, sieben, brüllt »O.k., let's see the show« und weist zum Eingang. Und ruckartig drängeln die Schaulustigen dorthin, wo Sandi steht, Freds Frau, die Money-Frau. Über dem linken Unterarm trägt sie eine Großmutter-Tasche – Logo: Sandi Brophy's Boxing Troupe – und in beiden Händen hält sie die Scheine. Zum Wechseln. Tickets gibt's nicht, Geld her, 10 AU $, in Windeseile wächst der Haufen im großen Beutel. Zwei Männerschränke neben Sandi sorgen dafür, dass alle brav zahlen.
    Full House, die ersten Reihen sitzen am Boden rund um die Matte, der Rest steht, die Erde voller Sägespäne. Gäbe es kein elektrisches Licht, man könnte glauben, im Mittelalter gelandet zu sein. Vor den zwei Holzpfeilern, die das Zelt stützen, steht je ein Stuhl, für die beiden Kontrahenten. Das folgende Muster wiederholt sich und erzeugt immer aufs Neue eine geradezu kindliche Freude. Die Profis legen ihre Profibademäntel ab, die Amateure ihre Holzfällerhemden. Und mächtige Tattoos auf mächtigen Oberarmen kommen zum Vorschein, dazu wildes Körperhaar und randvolle Outback-Bäuche, bisweilen aber auch der ansehnliche Torso eines jungen Kerls, muskelfest, ziseliert, ästhetisch. Bandagen und Handschuhe anlegen, Fred, der Ringrichter, gibt kurze Anweisungen – »Nicht klammern! Nicht unter die Gürtellinie!« –, der Mundschutz wird verpasst, Ring frei zur ersten Runde, zur ersten Minute.
    Gemäß den noblen Regeln der World Boxing Federation wird hier nicht gekämpft, aber sie kämpfen. Und die Zuschauer sind fast immer aufseiten des Verlierers. Weil er die Ordnung in Frage stellt, weil er mehr Schneid hat, weil er das größere, das schmerzhaftere Risiko eingeht. Und weil er Gelächter und Bombenstimmung auslöst: Mit Wucht ausholen und mit dem Bauch voraus ins Leere stolpern. Und bauchlanden. Auf dem falschen Fuß aufkommen und in die Ränge krachen. Und lachend wieder hochkommen. Boxen mit Catchen verwechseln. Oder dastehen und fünf, sechs, sieben Gerade kassieren und nicht umfallen, dabei umtost und gefeiert werden.
    Wer dann doch auf der Fünf-Mal-Fünf-Meter-Gummiunterlage landet, in deren Mitte das Logo einer Biermarke steht, hart landet, wird ausgezählt und bekommt – wenn wieder auf den Beinen – von Fred die mit allen fünf Fingern gespreizte Rechte vorgehalten. Damit der von Kinnhaken und Promille Vernebelte »five« sagen kann. Schafft er das, darf er weiterverlieren. Geht er dreimal in die Knie, ist die Partie automatisch zu Ende. Selten fliegt das Handtuch, denn hier wollen sie zeigen, dass sie als Männer auf die Welt kamen. Verlierer o.k., aber keine Aufgeber, keine Memmen.
    Das klingt befremdlich, aber die Raufereien haben etwas Völkerverbindendes. Auch Aborigines treten an. Doch nicht als black on white oder white on black , sondern einer gegen einen anderen. Sie hauen sich, sie prügeln sich, aber jeder wird fair – auch das ein Verdienst von Fred – behandelt. Für ein paar Minuten kommt hier im letzten Boxerzelt von Australien die Illusion auf, dass nichts als die eigene Leistung zählt. Mann gegen Mann, nicht Völkerhass, nicht Völkerschlacht, nein, nur zwei, die einander messen.
    Eine Minute Pause. Freds Leute coachen auch die Gegner. Wasser auf die Köpfe, Spange raus, Mund spülen, Vaseline ins Gesicht schmieren (damit die Schläge abgleiten), Luft zuwedeln, schnelle Ratschläge: Hände vors Gesicht! Nie die Deckung vergessen! Warte, bis du nah genug bist!
    Und einer der Frischlinge (aus dem Publikum) beherzigt das. Und sein Gegner, der Profi, beginnt zu wanken. Und da kommt Fred, der Ringrichter und Fuchs, ins Spiel. Ab jetzt nicht ganz so fair. Denn er muss zahlen, wenn der Fremde gewinnt. Doch nicht zahlen, wenn das Ergebnis nicht eindeutig ist, sagen wir, für Fred nicht eindeutig. Da jetzt ein Unentschieden ausrufen zu riskant wäre, fragt er – schön heuchlerisch – die 250, wer gewonnen hat. Und viele schreien für den einen und viele für den anderen. Das passt Fred bestens, das Durcheinander kann nichts anderes als draw bedeuten, punktgleich, sprich, kein Schein wird Sandis Geldkoffer verlassen. Und so endet unter fröhlichem Gejohle die erste Show.
    Kurz nach 21 Uhr Rückzug ins Lager, jemand

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