Im Land der Regenbogenschlange
verteilt Bier und Eiswürfel, um die verbeulten Visagen zu beruhigen. Im Hintergrund leuchtet das Riesenrad, man hört das Knallen aus den SchieÃbuden, die Nacht ist hell, genau jener Ausnahmezustand, den sie in amerikanischen Filmen romance nennen. Die Welt ist gerade so, wie sie sein soll.
Eine knappe Stunde später beginnt der zweite Durchgang. Alles wie immer, wie eben, wie die letzten dreiÃig Jahre. Freds Sprüche, die aufgestellten Mannen, die Bimmel, die Trommel. Nur das Volk und die Herausforderer sind neu. So kommen die Belustigung, der Sturm auf Sandi und die Hatz auf wunderbare Weise zurück. Tobend, lachend, Fäuste schwingend. Und diesmal mit zwei saftigen K. o.s für Freds invincible ones . Sogar der italienische Hengst muss in den Ringstaub.
Hinterher drücke ich mich unbemerkt davon, jetzt will ich es wissen, will die Damenschlangen sehen, die nach den Boys, den muskelschweiÃigen, hungern. Ich warte, die Massen haben sich inzwischen verlaufen. Aber die Schlangen kommen nicht, nirgends ein Ohnmachtsanfall, nichts. Ich umkreise zweimal Zelt und Hinterhof, wieder nichts. Nur eine offizielle Freundin, die ihren Boyfriend-Boxer abholt und zwei Ehefrauen. Alle drei warten eher friedlich und ohne Kreischen auf ihre (erschöpften) Männer.
Und dann doch. Vielleicht nicht ganz so bestechend wie damals in Cracow und heute in Mount Isa fabuliert, aber immerhin. Ich sehe einen der Preisboxer â aus Diskretion soll sein Name unerwähnt bleiben â die Tür zu einem Wohnwagen öffnen. Ich bin etwa vier Meter entfernt, unsichtbar in einem toten Eck, alles sehend. Er ist nicht allein, jemand steht neben ihm, die zwei flüstern erregt. Das Wenige, das ich von Mann und Frau in meinem Leben verstanden habe, lässt vermuten, dass die zwei sich keine zehn Minuten lang kennen. Das Ungeheure an der Situation ist natürlich nicht, dass die beiden sich nun anschicken werden, hinter der Wohnwagentür ein Schäferstündchen zu verbringen, nein, das Ungeheure ist die schmale Tür und die absolut ungeheuerlich fettschwappende XXX -Large-Lady, die nun mit Hilfe des jungen hübschen Burschen (Himmel, ich kenne mich nicht mehr aus in dieser Welt) die Schwelle zu übertreten versucht. Ich bin ab sofort skrupelloser Profi, denn wenn ich jetzt lache, wird die Superbusige mich zwischen ihren Keulen zerquetschen. Ich halte den Atem an. Die 150 Kilo wohl auch, denn erst als sie sich, die drei Zentner, seitwärts dem Rahmen nähern und gleichzeitig gezogen werden vom Hübschen, erst dann ist dieses einmal ganz andere Vorspiel überstanden. Sie ist drin, Tür zu. Auf das Keuchen und Schnauben der beiden kann ich verzichten, mit einer gewaltigen Verwirrung im Kopf trete ich den Weg zu meinem Hotel an.
Am nächsten Morgen gehe ich noch mal zurück zum Jahrmarkt. Eine perverse Neugier treibt mich. Ich weiÃ, es geht mich nichts an, aber die Suche nach Antworten ist nicht moralisch, sie ist amoralisch. Sie will wissen, basta. Und ich setze mich wieder ans Lagerfeuer und warte auf den 22-Jährigen, den ich gestern Nacht heimlich beobachtet habe. Und er kommt, er muss ja heute wieder boxen, und ich nehme ihn zur Seite mit der Bitte, ihn allein sprechen zu dürfen. T. ist ganz einverstanden und grinst nur, als ich ihm von meiner gestrigen Beobachtung erzähle. Keineswegs pikiert. Auch nicht, als ich ihn frage, wie es denn möglich sei, mit einer Frau solchen Kalibers zu schlafen, ich meine, sorry for my indiscretion , »rein technisch gesehen?« Und T. ist wieder nicht verstimmt, im Gegenteil, es scheint ihm Freude zu machen, einen Grünschnabel aufzuklären, einen, der nicht weiÃ, wo es langgeht. Und der Sexathlet, den ganz offensichtlich keine ästhetischen Ansprüche plagen, klärt auf: Für solche Fälle habe er immer ein paar Pfund Mehl bereitstehen, vermischt mit Shirbit , einem Limonadenpulver, das er zu gegebener Zeit auf den Bauch seiner Eroberung streut. Er sagt wörtlich: »Dort, wo ich den Bauch vermute.« Und da, wo das Mehlpulver feucht wird, da, wo die »Bläschen aufsteigen«, dort ist der Eingang, »then you get the right wrinkle«, dann bist du vor der richtigen Falte.
Outback, mon amour. Natürlich habe ich gezögert, bevor ich die Episode ins Buch schrieb. Dabei fiel mir Ludwig Wittgenstein und sein Satz ein: »Die Welt ist, was der Fall ist.« T. und seine Donna sind der Fall. Einer von den
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