Im Land der Regenbogenschlange
Thema oft missverstanden werden. Fernsehen ist ein Medium, ein Mittel. Wie Geld. Weder gut noch schäbig. Die Frage ist immer, wie man damit umgeht. Mit Dollars kann ich Gift kaufen und vergiften. Oder Heilmittel und heilen. Nicht anders das Phänomen TV . Es kann uns etwas über den Reichtum der Welt erzählen, uns an Geheimnisse heranführen, uns eine Ahnung vermitteln vom sagenhaften Wissen der Menschheit. Wie der eben gesehene Beitrag. Die Sendung ist zu Ende und ich, der Zuschauer, bin drei Millimeter weniger ignorant als achtzig Minuten zuvor. Das Problem, das wir alle mit dem Fernsehen haben â alle, die sich vorgenommen haben, nicht als dumpf genudelte Weichbirne abzutreten â, ist so oft das gleiche: Es heilt uns nicht, es erzählt uns keine Geschichte, nein, es infiziert uns, es brutalisiert uns, es entmündigt uns, spuckt nach uns, mutet uns Deppen und Deppinnen zu, denen man im richtigen Leben ein Geldstück in die Hand drücken würde, damit sie einen nicht ansprechen.
Kurz vor 18 Uhr in Coober Pedy ankommen, Toni (»my name is Toni«) steht neben dem Roadhouse, dem Busbahnhof, und sagt, dass er Zimmer vermiete. Nur ein Eck weiter. Und sein Motel hat genau das, wofür der Ort berühmt wurde: Dugouts , jene Untergrund-Räume, die sie hier ab 1915 in die Erde trieben. Weil in diesem Jahr hier der Opal-Rausch ausgebrochen war und sich die Opal-Rauschsüchtigen mit dieser Art Behausung vor dem extremen Klima â bis zu 50 Grad im Sommer, eiskalte Winternächte â zu schützen suchten. Deshalb die ursprüngliche Bedeutung des Ortsnamens, den die Aborigines beisteuerten: kupa piti , weiÃer Mann im Loch.
Mein Bett liegt folglich im »Keller«, totenstill, kein natürliches Licht, die höhlenartigen Wände, nur die Löcher in der Decke, die airvents , stellen die Verbindung zur Oberfläche her, versorgen mit Luft. Noch heute, im Zeitalter von Klimaanlage und Zentralheizung, leben etwa die Hälfte der Bewohner in diesen (gemütlichen) Löchern.
Abendessen in John's Pizza Bar, John ist auch Grieche und ich sage ihm, dass ich seinen englischen Namen geschmacklos finde und ihn ab sofort »Agamemnon« nennen werde. Das gefällt ihm, er ist einverstanden. Auf seiner geheizten Terrasse darf man rauchen, gut essen, hinauf in die Sterne träumen. Und die Zeitung lesen. In den Coober Pedy Regional Times steht, dass die Regierung jeden der 22 Millionen wieder einmal zur Wachsamkeit aufruft: »Halte Australien terroristenfrei!« Eine Reihe Telefonnummern wurde noch abgedruckt, unter denen man »Verdächtiges« melden kann. Im Lokalteil geht es um lokale Terroristen, der Bürgermeister sucht nach Domestic Violence Workers . Um es mit denen aufzunehmen, die als Männer und Ehemänner häuslichen Terror veranstalten.
Coober ist ein ganz spezieller Fleck. Im gegenüber gelegenen Cave Desert Hotel hängt ein Schild an der Bar â für Australier völlig normal, für Fremde absolut witzig â mit dem Hinweis: »Das Haus stellt für Notfälle sofort eine Ambulanz bereit.« Promille-Notfälle, selbstredend. Wer hier rauchen will, sollte vielleicht mit Taschenrechner und Messlatte vorbeikommen, denn auf einem Aushang steht, dass »man sich nicht näher als 25 % von der Bar-Gesamtbreite dem Barmann nähern darf«. Als Raucher. Ich lasse mir das Beamtenenglisch erklären und erfahre, dass man â zum Beispiel â bei einer drei Meter breiten Bar einen 75-Zentimeter-Abstand (25 %) zum Angestellten einhalten muss.
Was sind das für Zeitgenossen, die so etwas ausbrüten? Tragen die ein Nashorn statt einer Nase im Gesicht? Sind das Ex-Kinderschänder, die nun als Gesetzgeber resozialisiert werden sollen? Oder Erwachsene, die bei der Geburt ein Schädeltrauma erlebten und heute nur noch mit Aufgaben betraut werden, die einen Mindest- IQ von minus 300 fordern?
Als ich nachts um die Häuser ziehe, ist kein Mensch mehr zu sehen. Das passiert in allen Dörfern und Kuhdörfern. Aber heute fällt mir ein Gedanke aus der Kindheit ein: dass ich damals glaubte, abends stürben die Leute und morgens würden sie wieder lebendig. Anders war mir die Leere nicht erklärbar. Dass ich selbst nicht starb, erschien mir nicht als Widerspruch.
Morgens ins Roadhouse zum Frühstück. Da Toni noch erwähnte, dass der Chef hier ebenfalls Grieche ist, habe ich nachts in meinem Mac
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