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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Altmann Andreas
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umhaut und ihn mit dem Holzprügel würgt. Bis der mutmaßliche Zwei-Dollar-Dieb das Bewusstsein verliert. Was ihn rettet, denn Hector hält ihn für tot, lässt ab und verschwindet.
    Todd erstattet Anzeige. Eine Untersuchung findet statt. Hector plädiert auf Notwehr. Nicht dumm die Finte, wären da nicht seine Fingerabdrücke auf dem Haken, die – plus Aussage des Überlebenden – ihn als Ersttäter überführen. Keine Notwehr, sondern das Gegenteil, der eindeutige Versuch, den anderen kaltzustellen, genauer, kaltzumachen. Im Rausch, im Vollrausch. Hector besticht rechtzeitig den zuständigen Polizeibeamten mit 1000 Dollar. Der Mann manipuliert den noch nicht veröffentlichten Bericht, die Klage wird abgewiesen, der Fall ist erledigt. Zwei Raufbolde schlagen sich die Köpfe ein, that's it.
    Fast. Hector sinnt auf Rache, die zwei Dollar Biergeld und die 1000 Dollar Schweigegeld reuen ihn. Nach zwanzig Monaten ist es so weit, die Rachegedanken werden Wirklichkeit. Er lauert Todd an einer mit Bedacht ausgesuchten Stelle auf, überrumpelt ihn, wuchtet ihn an eine nahe, hüfthohe Mauer, presst den Rücken seines Opfers über die Kante, legt all seinen Hass und seine Stiernackengewalt hinein, und biegt und biegt so lange, bis er es knacken hört. Der Hass ist am Ziel, der Rücken bleibt unbeweglich liegen, Hector verschwindet. Ein zweites Mal.
    Die lange Vorbereitungszeit zahlt sich aus. Sein Alibi ist wasserdicht, Freunde bestätigen, dass er die fragliche Zeit mit ihnen verbracht hat. Und die Attacke war so inszeniert (nachts und blitzschnell), dass der andere nie das Gesicht des Täters zu sehen bekam. Das reicht, im Outback allemal. Hector hat seinen Frieden gefunden, das verlorene Geld und die Woche Unter-suchungshaft (beim ersten Fall) haben sich amortisiert. Ein Krüppel im Rollstuhl und ein Verkrüppler im Pickup gehen ihrer Wege. Ob sie sich noch erinnern, dass alles mit zwei Dollar begann?
    Absurdes Leben. Wir sitzen noch immer im Pfadfinderlager, Dosen knallen, mal fünfzehn, mal zwanzig Männer und Frauen reden miteinander, gelöst, heiter. Der Geruch von Marihuana zieht vorbei. Hector streichelt jetzt den Hund (gehört zum Tross), streichelt die Kinder (gehören auch zum Tross), ist hundelieb, kinderlieb, menschenlieb. Warum erzählt er mir das? Das Verbrechen ist noch nicht einmal verjährt. Doch tief drin ein Gefühl von Schuld, von Unruhe? Oder einzig aus schamloser Geltungssucht? Für Augenblicke überlege ich, zur Polizei zu gehen, ihn anzuzeigen. Was für ein lächerlicher Gedanke. Sie würden mich auslachen und nach Hause schicken.
    Mein Blick fällt auf Fred Brophy und ich begreife etwas, immerhin das, begreife es wieder. Fred ist ihr Übervater, der Boss, die einzige Autorität. Sie alle verdanken ihm, dem Provinz-Impresario, ihr zweites Leben. Kurioserweise musste er selbst nie in den Bau. Und doch, Fred ist gerieben wie kein anderer, jedem Fremden würde er das letzte Hemd abknöpfen. Aber hier, unter diesen Männern, herrscht ein strenger Moralkodex, die Moral der Männerfreundschaft. Vollkommen unerheblich, was einer getan hat, hier wird er beschützt, hier ist er zu Hause, hier wird keiner verraten. Das ist eine bombastisch-schöne Idee.
    Um 19 Uhr 45 beginnt der Zirkus. Die Boxer stellen sich aufs Gerüst, das vor dem Zelt steht, Fred schlägt die Trommel, schreit und zieht an der Glocke. Und das Volk strömt aus allen Ecken der Dult heran. Fred ist ein Ass, er hat kein Wort erfunden, alles läuft, wie vor Wochen erzählt. Er preist seine Mannen an, einer heißt »Italian Stallion«, einer »Barramundi Kid«, einer »Black Flesh«, natürlich der »Cowboy«, daneben »The Cracow Heartbreaker« und »White Lightning«, zuletzt der »Mask Mauler«, der angeblich so hässlich ist, dass er eine Maske tragen muss, um die »Ladys nicht zu erschrecken«. Fred plärrt ins Mikrofon, reißt Sprüche, provoziert das Männervolk, indem er es auffordert, die mitgebrachten Girls festzuhalten, denn jetzt seien »die echten Kerle in Mount Isa eingetroffen«, erklärt die Bedingungen, tröstet die zukünftigen Verlierer, indem er vom blauen Auge als »Zeichen der Ehre« schwärmt, trommelt, bimmelt, ruft die Herausforderer zu sich aufs Podest, fragt sie, gegen wen sie antreten wollen, fragt nach ihrem Beruf, Ausfahrer, Bergmann,

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