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Im Land der tausend Sonnen

Titel: Im Land der tausend Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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aus der ersten Klasse trug auch Hubert Hoepper einen schicken weißen Segeltuchanzug, den er verabscheute. Seine Tochter hatte darauf bestanden, dass er zwei solche Anzüge kaufte, weil sie ideal für die Tropen waren, wenngleich niemand behaupten konnte, dass an diesem frischen, windigen Tag tropisches Klima herrschte. Die Sonne schien, das war aber auch alles, und es bewog ein paar Männer, dieses merkwürdige Kleidungsstück auszuprobieren. Die Frauen trugen lange weiße Mäntel aus Serge oder Schantung und ließen zierliche Sonnenschirmchen aufblühen, die nicht einmal an diesem Tag ihren Zweck erfüllten.
            Hatte Herr Hoepper sich auch überreden lassen, diesen scheußlichen Anzug zu tragen, wollte er doch um nichts auf der Welt auf Zylinder, Handschuhe und Gamaschen verzichten. Er beklagte sich, dass er sich in dem Anzug wie in schweres Segeltuch gewickelt fühlte, doch seine Tochter Adele versicherte ihm, das Material würde mit jeder Wäsche weicher werden, und gerade die leichte Pflege war ja der große Vorzug des Stoffs.
            »Männer schwitzen stark in den Tropen, Papa. Das ist eine allgemein bekannte Tatsache. Deshalb ist es notwendig, Kleidung zu tragen, die sich gut waschen lässt.«
            Nicht bereit nachzugeben, erinnerte er sie daran, dass die Stadt Bundaberg, ihr Reiseziel, nicht in den Tropen, sondern südlich vom Wendekreis des Steinbocks lag.
            Ihr Lachen erfüllte sein Herz mit Freude, denn er hörte es in letzter Zeit so selten. Er hätte es gern noch einmal hervorgelockt, hätte gern etwas Humoriges gesagt, aber die Fähigkeit dazu war ihm offenbar abhanden gekommen.
            »Wirklich, Vater, du bist so komisch. Ich hatte in dir einen erfahrenen Weltreisenden erwartet, nachdem du dich so lange Zeit mit Geographie beschäftigt hast, aber offenbar kannst du dein Wissen nicht umsetzen. Ich vermute, dass es in Bundaberg heiß sein wird, denn es liegt nur etwa hundert Meilen südlich vom Wendekreis des Steinbocks. Dort wird tropisches Klima herrschen!«
            »Wir werden sehen.« Er lächelte und hoffte, dass er sich im Irrtum befand, damit seine Tochter ihre Freude hatte. Er hätte alles getan, um sie glücklich zu machen und ihr die gute Stimmung zu erhalten.
            Bevor er an diesem Morgen an Land gegangen war, hatte er noch einen Wollschal umgelegt, und jetzt, zu später Stunde, empfand er diese Eingebung als tröstlich, wenn auch ein bisschen zu warm. Doch der Schal war ein Andenken an die alte Welt, die er auf Anraten von Freunden und Familie auf dieser Seereise zumindest zeitweise hinter sich ließ. Um ihrer und seiner Gesundheit willen.
            Nicht, dass ihm seine Gesundheit mehr am Herzen lag als nötig war, um seinen Haushalt zu versorgen und auf seine Tochter Acht zu geben. Er sah zu, wie sie geschäftig von den Marktständen im Hafen zu den Karren voller Glitzerkram lief, um vor der Rückkehr aufs Schiff schnell noch allerletzte Einkäufe zu tätigen. Adele ist achtzehn, überlegte er, im heiratsfähigen Alter. Eines nicht zu fernen Tages würde sie ihn verlassen. Doch statt sich der traurigen Gedanken hinzugeben, beschloss Hubert, die Gesellschaft seiner Tochter zu genießen, solange es ihm noch vergönnt war.
            Das hielt er für eine der Prioritäten in seinem Leben. Adele war alles, was er noch hatte. Sie verstanden sich nicht immer. Sie konnte widerborstig und eigensinnig sein. Dann gab sie ihm Widerworte, zankte, stapfte davon, doch so war sie nun mal. Sie war schon immer reizbar gewesen und neigte zu Ausbrüchen tiefster Traurigkeit wie zu beinahe hysterischer Fröhlichkeit.
            Aber meist war sie lieb und großzügig, eine gute Tochter, warum also sollte er sein Leben nicht im Sinne ihres Wohlergehens planen? Wenn sie nicht wäre, was hätte er dann noch?
            Merkwürdig, diese Seereise hatte sie vorgeschlagen. Adele, die sich so heftig gesträubt hatte, als er vor einigen Jahren zum ersten Mal Australien zur Sprache brachte. Manchmal fragte er sich, ob sie etwa glaubte, gewissermaßen verantwortlich für sein Wohlergehen zu sein, und wenn er es auch nicht über sich brachte, dies auszusprechen, zumal er, gelinde gesagt, ungern über Gefühlsdinge redete, hoffte er doch, dass er sich täuschte. Er hatte ihr gegenüber Verpflichtungen, und die wollte er ganz allein tragen.
            Sie kam zu ihm herübergehuscht, einen mit Krimskrams gefüllten

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