Im Land der weissen Rose
ließen,
sprach nichts gegen einen kleinen Höflichkeitsbesuch. Jedenfalls
würde er sich bald auf den Weg nach Kiward Station machen, und
das musste sich in Helens unmittelbarer Nachbarschaft befinden.
Schließlich war sie mit der Herrin der Farm befreundet,Gwyneira
Warden. Weiter als eine kurze Kutschfahrt konnten die Anwesen also
kaum auseinander liegen.
George brachte die Fähre über den Avon River und die
letzten Meilen bis nach Christchurch hinter sich und nahm erst einmal
Quartier im örtlichen Hotel. Schlicht, aber sauber – und
natürlich hatte der Betreiber schon mal von den Wardens gehört.
»Selbstverständlich. Mr. Gerald und Mr. Lucas steigen
immer hier ab, wenn sie in Christchurch zu tun haben. Sehr
kultivierte Herrschaften, vor allem Mr. Lucas und seine reizende
Gemahlin! Mrs. Warden lässt in Christchurch ihre Kleider
schneidern, deshalb sehen wir sie hier zwei- oder dreimal im Jahr.«
Von Howard und Helen O’Keefe hatte der Hotelier dagegen noch
nichts gehört. Weder waren sie bei ihm abgestiegen, noch kannte
er sie aus der Kirchengemeinde.
»Aber das ist auch gar nicht möglich, wenn sie Nachbarn
der Wardens sind«, erklärte der Hotelier. »Dann
gehören sie zu Haldon,und das hat neuerdings ja auch eine
Kirche. Es wäre viel zu weit, um jeden Sonntag herzureiten.«
George nahm es verwundert zur Kenntnis und erkundigte sich nach
einem Mietstall.Am nächsten Tag würde er allerdings erst
einmal der Union Bank of Australia einen Besuch abstatten, der ersten
Bankfiliale in Christchurch.
Der Bankdirektor war überaus höflich und erfreut über
Greenwoods Pläne in Christchurch.
»Sie sollten mit Peter Brewster reden«, riet er ihm.
»Der kümmert sich bislang um den örtlichen
Wollhandel.Aber wie ich hörte, zieht es ihn nach Queenstown –
der Goldrausch, wissen Sie. Wobei Brewster sicher nicht selbst
schürfen wird, sondern eher den Goldhandel im Sinn hat.«
George runzelte die Stirn. »Halten Sie das für so viel
lukrativer als die Wolle?«
Der Banker zuckte die Schultern. »Wenn Sie mich fragen:
Wolle wächst jedes Jahr nach. Aber wie viel Gold da oben in
Otago in der Erde liegt, weiß keiner. Doch Brewster ist jung
und unternehmungslustig. Außerdem hat er familiäre Gründe.
Die Familie seiner Frau stammt von dort – Maoris. Und sie hat
wohl Land geerbt. Auf jeden Fall dürfte er nicht böse sein,
wenn Sie seine Kunden hier übernehmen. Das würde Ihre
Geschäftsgründung sehr vereinfachen.«
George konnte ihm nur zustimmen und dankte für den
Hinweis.Außerdem nutzte er die Gelegenheit, sich beiläufig
nach den Wardens und den O’Keefes zu erkundigen. Über die
Wardens war der Direktor natürlich des Lobes voll.
»Der alte Warden ist ein Haudegen, aber er versteht was von
Schafzucht! Der Junge ist mehr ein Schöngeist, der hat es nicht
mit der Farm. Deshalb hofft der Alte auf einen Enkel, der besser
einschlägt, bislang aber vergebens. Dabei ist die junge Frau
bildschön. Ein Jammer, dass sie sich mit dem Kinderkriegen
offensichtlich schwer tut. Bisher nur ein einziges Mädchen in
fast sechs Jahren Ehe ... Nun ja, sie sind jung, da ist sicher noch
Hoffnung. Tja,und die O’Keefes...« Der Bankdirektor rang
sichtlich um Worte. »Was soll ich da sagen? Das Bankgeheimnis,
Sie verstehen ...«
George verstand. Howard O’Keefe war kein allzu geschätzter
Kunde. Wahrscheinlich hatte er Schulden. Und die Farmen lagen zwei
Tagesritte von Christchurch entfernt, Helen hatte in ihren Briefen
vom Stadtleben also gelogen – oder zumindest stark übertrieben.
Haldon, die nächste größere Ansiedlung bei Kiward
Station, war kaum mehr als ein Dorf. Was mochte sie noch verschweigen
und warum? War es ihr peinlich, wie sie lebte? Würde sie sich
über diesen Besuch aus Übersee womöglich gar nicht
freuen?Aber er musste sie treffen!Zum Teufel, er war 18.000 Meilen
gereist, um sie zu sehen!
Peter Brewster erwies sich als umgänglich und lud George
gleich für den nächsten Tag zum Lunch ein. Das zwang ihn
zwar, seine Pläne noch einmal zu verschieben, erschien ihm aber
unumgänglich. Tatsächlich verlief das Treffen dann sehr
harmonisch. Brewsters bildschöne Frau servierte ein Essen nach
Maori-Tradition mit frischem Fisch aus dem Avon und raffiniert
zubereiteten Süßkartoffeln. Seine Kinder
Weitere Kostenlose Bücher