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Im Land der weissen Rose

Im Land der weissen Rose

Titel: Im Land der weissen Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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noch?«
    Â»Weiß ich nich’. Falten wir jetzt das Boot?«
Robert zappelte.
    Â»Nach dem Rechnen. Schau, Robert, hier sind drei Blätter.
Und hier noch mal zwei. Wie viele sind das?«
    Der Junge hätte nur zählen müssen. Doch er war
aufsässig und zeigte kein Interesse. George sah wieder William
vor sich.
    Die junge Lehrerin blieb geduldig. »Zähl einfach,
Robert.«
    Der Junge zählte widerwillig. »Eins, zwei, drei, vier
... vier, Missy.«
    Die Lehrerin seufzte, desgleichen die kleine Nancy.
    Â»Zähl noch mal, Robert.«
    Das Kind war unwilligund dumm. Georges Mitgefühl mit der
Lehrerin wuchs mit jeder Aufgabe, zu deren Lösung sie sich
mühsam vortasten musste. Sicher war es nicht leicht, freundlich
zu bleiben, aber die junge Frau lächelte stoisch, während
Robert immer wieder »Boot falten, Boot falten!«, rief.
Sie gab erst auf, als der Junge die dritte und einfachste Aufgabe
endlich richtig löste. Zum Falten von Papierschiffchen zeigte
sie allerdings weder Geduld noch Geschick. Das Modell, mit dem Robert
schließlich zufrieden abzog, wirkte nicht sehr seetüchtig.
Entsprechend schnell war der Kleine denn auch wieder da und
unterbrach die anschließende Rechenstunde mit Nancy. Seine
Schwester reagierte unwillig.Das kleine Mädchen war gut im
Rechnen, und im Unterschied zu ihrer Lehrerin schien sie sich auch
ihres Zuhörers bewusst zu sein. Immer wenn sie die Lösung
einer Aufgabe wie aus der Pistole geschossen nannte, warf sie George
triumphierende Blicke zu. George konzentrierte sich dagegen eher auf
die junge Lehrerin. Sie stellte ihre Aufgaben mit leiser, heller
Stimme, wobei sie das S ein wenig gekünstelt aussprach –
wie eine Angehörige der englischen Oberschicht oder wie ein
Mädchen, das als Kind gelispelt hatte und seine Sprache nun
bewusst kontrollierte. George fand es reizend; er hätte ihr
endlos zuhören können.Aber jetzt raubte Robert ihr und
seiner Schwester wieder die Ruhe. George wusste genau, wie das kleine
Mädchen sich fühlte. Und in den Augen der Lehrerin las er
die gleiche, unterdrückte Ungeduld wie damals bei Helen.
    Â»Es ist untergegangen, Missy! Mach ein neues!«,
forderte Robert und schleuderte der Lehrerin sein nasses Boot in den
Schoß.
    George beschloss, sich noch einmal einzumischen.
    Â»Komm her, ich weiß, wie’s geht«, forderte
er Robert auf. »Ich zeig dir, wie man es faltet, dann kannst du
es allein.«
    Â»Aber Sie brauchen doch nicht...« Die junge Frau warf
ihm einen hilflosen Blick zu. »Robert, du bist dem Herrn
lästig«, sagte sie streng.
    Â»Aber nein«, meinte George mit einer wegwerfenden
Handbewegung. »Im Gegenteil. Ich falte gern Schiffchen. Und ich
habe es seit fast zehn Jahren nicht mehr gemacht. Wird Zeit, dass
ich’s mal wieder versuche, sonst roste ich ein.«
    Während die junge Frau mit Nancy weiterrechnete und George
gelegentlich verstohlene Blicke zuwarf, faltete er das Papier rasch
zu einem Bötchen. Er versuchte, Robert zu erklären, wie man
es machte, doch der Junge interessierte sich nur für das fertige
Produkt.
    Â»Komm mit, wir lassen es schwimmen!«, forderte er
George dann immerhin auf. »Im Fluss!«
    Â»Auf keinen Fall im Fluss!« Die Lehrerin sprang auf.
Obwohl sie Nancy damit sicherlich brüskierte, war sie offenbar
bereit, Robert zum »See« zu begleiten, wenn er sich nur
nicht wieder in Gefahr begab. George ging neben ihr und bewunderte
ihre leichten, anmutigen Bewegungen. Dieses Mädchen war keine
Landpomeranze wie ein paar von den Mädels, die gestern im White
Hart getanzt hatten. Sie war eine kleine Lady.
    Â»Der Junge ist schwierig, nicht wahr?«, sagte George
mitfühlend.
    Sie nickte. »Aber Nancy ist nett. Und vielleicht wächst
sich das bei Robert ja noch aus...«, meinte sie hoffnungsvoll.
    Â»Meinen Sie?«, fragte George. »Haben Sie da
Erfahrung?«
    Das Mädchen zuckte die Schultern. »Nein. Das ist meine
erste Stelle.«
    Â»Nach dem Lehrerseminar?«, wollte George wissen. Für
eine ausgebildete Lehrkraft sah sie unglaublich jung aus.
    Das Mädchen schüttelte verlegen den Kopf. »Nein,
ich habe kein Seminar besucht. Es gibt noch keins in Neuseeland –
zumindest nicht hier auf der Südinsel.Aber ich kann lesen und
schreiben, ein bisschen Französisch, und sehr gut Maori. Ich
habe die Klassiker gelesen, wenn auch nicht

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