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Im Land der weissen Rose

Im Land der weissen Rose

Titel: Im Land der weissen Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Mylord?«
    Â 

3
    Helen hatte mehr als nur leichtes Herzklopfen, als sie jetzt vor
dem Büro des Gemeindepfarrers von St. Clement stand. Dabei war
sie nicht zum ersten Mal hier, und eigentlich fühlte sie sich
meist sogar sehr wohl in diesen Räumen, die so sehr den
Amtsstuben ihres Vater glichen. Reverend Thorne war zudem ein alter
Freund des verstorbenen Reverend Davenport. Er hatte Helen vor einem
Jahr zu der Stellung bei den Greenwoods verholfen und ihre Brüder
sogar einige Wochen in seiner Familie beherbergt, bevor zuerst Simon
und dann John ein Zimmer in ihrer Studentenverbindung fanden. Die
Jungen waren triumphierend ausgezogen, doch Helen war darüber
nicht so begeistert gewesen. Während Thorne und seine Gattin
ihre Brüder nicht nur kostenlos bei sich wohnen ließen,
sondern auch ein wenig beaufsichtigten, kostete die Unterkunft in den
Verbindungshäusern Geld und ermöglichte den Studenten
mancherlei Kurzweil, die ihrem wissenschaftlichen Fortkommen nicht
unbedingt zuträglich war.
    Helen klagte dem Reverend oft ihr Leid darüber. Fast jeden
ihrer freien Nachmittage verbrachte sie im Hause der Thornes.
    Bei ihrem heutigen Besuch erwartete sie jedoch kein entspanntes
Teetrinken mit dem Reverend und seiner Familie,und aus seinem
Amtszimmer klang auch nicht das dröhnende, fröhliche
»Herein mit Gott!«, mit dem der Geistliche seine
Schäfchen sonst begrüßte. Stattdessen erklang eine
befehlsgewohnte Frauenstimme aus dem Büro, nachdem Helen sich
endlich überwunden hatte zu klopfen. In den Räumen des
Reverends residierte an diesem Nachmittag Lady Juliana Brennan,
Gattin eines pensionierten Leutnants aus dem Stab des William Hobson,
ehemals Gründungsmitglied der anglikanischen Gemeinde
Christchurch und neuerdings wieder Stütze der Londoner
Gesellschaft. Die Dame hatte auf Helens Schreiben geantwortet und
diesen Termin im Gemeindeamt mit ihr vereinbart. Sie wollte die
»ehrbaren, in Haushalt und Kindererziehung bewanderten«
Frauen, die sich auf ihre Anzeige hin beworben hatten, unbedingt
selbst in Augenschein nehmen, bevor sie ihnen den Weg zu den »wohl
beleumundeten und gut situierten Mitgliedern« der Siedlung
Christchurch ebnete. Zum Glück war sie dabei flexibel. Helen
hatte nur alle zwei Wochen einen Nachmittag frei, und sie hätte
Mrs. Greenwood nur ungern um zusätzlichen Ausgang gebeten.Lady
Brennan aber hatte gleich zugestimmt, als Helen ihr diesen
Freitagnachmittag für das Treffen vorschlug.
    Jetzt rief sie die junge Frau herein und betrachtete wohlgefällig,
dass Helen gleich beim Eintreten einen ehrfurchtsvollen Knicks
machte.
    Â»Lassen Sie das, Kindchen, ich bin nicht die Queen«,
bemerkte sie dann allerdings kühl, woraufhin Helen rot anlief.
    Dabei fielen ihr die Ähnlichkeiten zwischen der gestrengen
Queen Viktoria und der ebenfalls eher rundlichen und dunkel
gewandeten Lady Brennan auf. Beide schienen nur in
Ausnahmesituationen zu lächeln und das Leben sonst vor allem als
gottgesandte Bürde anzunehmen, unter der man möglichst
offensichtlich zu leiden hatte. Helen bemühte sich, ebenso
streng und ausdruckslos zu erscheinen. Sie hatte noch einmal im
Spiegel überprüft, ob sich auf ihrem Weg durch den Windund
den Regen auf den Straßen Londons keine noch so winzige Strähne
aus ihrem straff zum Knoten gewundenen Haar gelöst hatte. Der
größte Teil der strengen Frisur wurde ohnehin von ihrem
schlichten, dunkelblauen Hut verdeckt, der Helen notdürftig vor
dem Regen geschützt hatte und jetzt vollständig durchnässt
war. Den ebenso nassen Mantel hatte sie immerhin im Vorzimmer abgeben
können. Darunter trug sie einen blauen Tuchrock und eine
sorgfältig gestärkte, helle Rüschenbluse. Helen wollte
unbedingt einen guten, möglichst distinguierten Eindruck
erwecken. Lady Brennan dürfte sie auf keinen Fall für eine
leichtsinnige Glücksritterin halten.
    Â»Sie wollen also auswandern?«, fragte die Lady
geradeheraus. »Eine Pfarrerstochter, obendrein in guter
Stellung, wie ich sehe. Was lockt Sie nach Übersee?«
    Helen überlegte ihre Antwort sorgfältig. »Mich
lockt nicht das Abenteuer, Mylady«, bemerkte sie. »Ich
bin zufrieden in meiner Stellung, und meine Herrschaft behandelt mich
gut. Aber ich sehe jeden Tag das Glück in ihrer Familie,und mein
Herz brennt vor Sehnsucht, selbst einmal im Mittelpunkt einer solch
liebenden

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