Im Land der weissen Rose
Vater
war nicht so begeistert von ihm, jedenfalls meinte Howard, er
brauchte noch mehr Geld, um ihm zu imponieren ...«
»Also zog er nach Otago und fand Gold und – inzwischen
verheiratete sich Barbara mit Gerald? Oh, wie traurig, Ruben!«
Fleur seufzte ob der vermeintlichen Romantik.
»Nicht ganz.« Ruben schüttelte den Kopf. »Howard
wollte das Geld hier und jetzt machen. Es kam zu einem Kartenspiel
...«
»Und er verlor? Gewann Gerald das ganze Geld?«
»Fleurette, nun lass mich doch einmal ausreden!«,
meinte Ruben streng und wartete, bis Fleurette entschuldigend nickte.
Sie brannte offensichtlich darauf, die Geschichte weiterzuhören.
»Howard hatte sich vorher bereit erklärt, Teilhaber an
Geralds Schafzucht zu werden – sie hatten sogar schon einen
Namen für die Farm: Kiward Station, nach Warden und O’Keefe.Aber
dann verspielte er nicht nur sein eigenes Geld, sondern auch das, was
Gerald ihm gegeben hatte, um das Land bei den Maoris zu bezahlen!«
»Oh nein!«, rief Fleur, die mit einem Mal verstand,
warum Gerald wütend war. »Mein Großvater wollte ihn
sicher umbringen!«
»Es kam jedenfalls zu einigen sehr hässlichen Szenen«,
erklärte Ruben. »Letztendlich lieh Mr.Butler Gerald etwas
Geld – schon um vor den Maoris nicht das Gesicht zu verlieren,
denen war der Landkauf immerhin versprochen. Gerald erstand dann
einen Teil des Landes, das heute Kiward Station bildet, und Howard
wollte nicht zurückstecken. Er hatte wohl immer noch Hoffnung,
Barbara zu heiraten. Jedenfalls steckte er seine letzten Pennys in
ein Stück steiniges Land mit ein paarhalb verhungerten Schafen
drauf. Unsere wundervolle Farm. Dabei war Barbara Gerald längst
versprochen. Das Geld war ihre Mitgift. Und später erbte sie
natürlich auch noch das Land vom alten Butler. Kein Wunder, dass
Gerald kometenhaft zum Schaf-Baron aufstieg.«
»Und dass Howard ihn hasst!«, bemerkte Fleur. »Oh,
was für eine schreckliche Geschichte. Und die arme Barbara! Ob
sie Gerald wohl geliebt hat?«
Ruben zuckte die Schultern. »Davon hat Onkel George nichts
gesagt.Aber wenn sie doch eigentlich meinen Vater heiraten wollte ...
da kann’s mit der Liebe für Gerald kaum weit her gewesen
sein.«
»Was Gerald nun wieder Howard übel nahm. Oder nahm er
ihm gerade übel, dass er Barbara heiraten musste? Nein, das wäre
zu schrecklich!« Fleur war tatsächlich blass geworden.
Gute Geschichten gingen ihr immer nahe.
»Das sind jedenfalls die Geheimnisse von Kiward und O’Keefe
Station«, schloss Ruben. »Und mit diesem Erbe werden wir
dann demnächst vor meinen Vater und deinen Großvater
treten und erklären, dass wir heiraten wollen. Beste
Voraussetzungen, findest du nicht?« Er lachte bitter.
Noch schlechtere Voraussetzungen, wenn Gerald vorher was läuten
hört, dachte Paul schadenfroh. Dieser Ausflug ins Alpenvorland
hatte sich wirklich gelohnt!Aber jetzt musste er sehen, dass er
wegkam. Geräuschlos schlich er sich zurück zu seinem Pferd.
Â
2
Paul erreichte die Farm der O’Keefes ziemlich exakt bei
Unterrichtsende, aber natürlich wagte er sich nicht in Helens
Blickfeld, sondern wartete hinter der nächsten Wegbiegung auf
die anderen Kinder von Kiward Station. Marama lächelte ihm
erfreut zu und kletterte ohne große Fragen hinter ihm aufs
Pony.
Tonga beobachtete dies mit verkniffener Miene.Auch dass Paul ein
Reitpferd besaß, während er den weiten Schulweg zu Fuß
zurücklegen oder während der Schulzeit bei einem anderen
Stamm Quartier nehmen musste, war Salz in seinen Wunden. In der Regel
bevorzugte er Ersteres, denn Tonga stand gern im Mittelpunkt des
Geschehens und wollte seinen Feind auf keinen Fall aus den Augen
verlieren. Dabei war ihm Maramas Freundlichkeit Paul gegenüber
ein besonderer Dorn im Auge. Er empfand ihre Zuneigung für den
Jungen alsVerrat– eine Sichtweise, mit der er bei den
Erwachsenen in seinem Stamm jedoch ziemlich allein stand. Für
die Maoris war Paul Maramas Ziehbruder, den sie selbstverständlich
liebte. Sie betrachteten die pakeha nicht als Gegner, und ihre Kinder
erst recht nicht. Tonga sah das allerdings zunehmend anders. In
letzter Zeit begehrte er viele Dinge, über die Paul und die
anderen Weißen verfügten. Er hätte auch gern Pferde,
Bücher und buntes Spielzeug besessen und in einem Haus
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