Im Land der weissen Rose
Verbrecherring auszuheben.
Lord Barrington sprach sich jedoch energisch dagegen aus. Seiner
Ansicht nach wollte Sideblossom sein Opfer nur deshalb nach Dunedin
schleppen, weil er die Richter dort besser kannte und eher die
Hoffnung sah, den Viehdieb am Ende hängen zu können.
Am liebsten hätte er das wohl sofort und ohne
größeresAufsehen erledigt, gleich nachdem er McKenzie
gefangen hatte. Diesen Triumph schrieb er sich inzwischen ganz allein
auf seine Fahnen; schließlich hatte er McKenzie
niedergeschlagen und festgenommen. Nach Ansicht der anderen Männer
wäre die Schlägerei im Flussbett allerdings kaum nötig
gewesen. Im Gegenteil, hätte Sideblossom den Viehdieb nicht vom
Maultier gerissen und erst mal verprügelt, hätten die Jäger
seinem Komplizen nachsetzen können. So war der zweite Mann –
einige Leute aus dem Suchtrupp behaupteten, es sei ein Mädchen
gewesen – entkommen.
Die anderen Vieh-Barone hatten es auch nicht gebilligt, dass
Sideblossom den gefangenen McKenzie wie einen Sklaven am Pferd
mitgeschleift hatte. Sie sahen keinen Grund, dass der ohnehin böse
zusammengeschlagene Mann laufen sollte, obwohl sein Maultier zur
Verfügung stand. Irgendwann hatten besonnene Männer wie
Barrington und Beasley die Verantwortung übernommen und
Sideblossom für sein Vorgehen gerügt. Da McKenzie die
Mehrzahl seiner Verbrechen in Canterbury begangen hatte, so war die
fast einhellige Meinung, sollte er sich dort auch für seine
Taten verantworten. Sideblossoms Protesten zum Trotz befreiten die
Männer um Barrington den Viehdieb am Tag nach der Verhaftung,
nahmen ihm sein Ehrenwort ab, nicht zu fliehen, und führten ihn
nur leicht gefesselt nach Lyttelton, wo er bis zur Verhandlung
inhaftiert blieb. Sideblossom bestand allerdings darauf, seinen Hund
zu behalten, was McKenzie mehr zu schmerzen schien, als die
Prellungen nach der Schlägerei und die Hand- und Fußfesseln,
mit denen Sideblossom ihn sogar nachts gebunden hatte, eingeschlossen
in seiner Scheune. Er bat die Männer mitrauer Stimme, den Hund
mitlaufen zu lassen.
Sideblossom erwies sich hier aber als nicht beeinflussbar. »Das
Tier kann für mich arbeiten«, erklärte er. »Wird
sich schon einer finden, der es führen kann. So ein
erstklassiger Sheepdog ist teuer. Ich behalte ihn ein, als kleinen
Ausgleich für die Schäden, die der Kerl verursacht hat.«
So blieb Friday zurück und jaulte herzzerreißend, als
die Männer ihren Herrn vom Hof führten.
»Viel Spaß wird John kaum daran haben«, meinte
Gerald. »Diese Köter sind auf einen Schäfer geprägt.«
Gerald stand bei de rAuseinandersetzung um McKenzie ein wenig
zwischen den Fronten. Einerseits war Sideblossom einer seiner
ältesten Freunde, andererseits musste er mit den Männern
aus Canterbury auskommen. Und wie fast alle anderen empfand auch er
eine widerwillige Hochachtung vor dem genialen Viehdieb. Natürlich
war er wütend über seine Verluste, doch seine Spielernatur
hatte durchaus Verständnis dafür, dass jemand nicht immer
den allerehrenhaftesten Weg nahm, sein Leben zu fristen. Und wenn
derjenige dabei noch mehr als zehn Jahre lang durchkam, ohne auch nur
einmal gefasst zu werden, nötigte ihm dasAchtung ab.
McKenzie versank nach Fridays Verlust in düsteres Schweigen,
das er kein einziges Mal brach, bis die Gitter des Gefängnisses
von Lyttelton sich hinter ihm schlossen.
Die Männer von Canterbury waren enttäuscht; sie hätten
zu gern aus erster Hand gehört, wie McKenzie die Diebstähle
bewerkstelligt hatte, wie seine Hehler hießen und wer der
mysteriöse, geflohene Komplize war. Immerhin brauchten sie nicht
lange auf die Verhandlung zu warten. Unter dem Vorsitz des
Ehrenwerten Richters Justice Stephen wurde sie gleich für den
nächsten Monat angesetzt.
Lyttelton besaß inzwischen einen eigenen Gerichtssaal –
längst schon wurden die Verhandlungen nicht mehr im Pub oder
unter freiem Himmel geführt, wie in den ersten Jahren üblich.
Beim Prozess gegen James McKenzie erwies sich der Raum allerdings als
zu klein, um all die Bürger von Canterbury zu fassen, die einen
Blick auf den berüchtigten Viehdieb werfen wollten. Selbst die
geschädigten Schaf-Barone und ihre Familien mussten früh
anreisen, um gute Plätze zu bekommen. Gerald, Gwyneira und der
aufgeregte Paul nahmen deshalb schon am Tag zuvor
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