Im Land der weissen Rose
überdie Hintermänner. Er scheint doch nicht alles
allein gemacht zu haben ...« Gerald glaubte nicht an die
Geschichte mit der Frau in Gesellschaft McKenzies. Er glaubte eher an
einen jungen Komplizen, hatte diesen aber nur als Schemen gesehen.
»Besonders der Hehler wäre interessant. So gesehen
hätten wir bessere Chancen gehabt, wenn der Kerl in Dunedin vor
Gericht gekommen wäre. Da hat Sideblossom schon Recht.Da ist er
übrigens! Schaut nur! Wusst ich doch, dass er sich die
Verhandlung gegen den Kerl nichtentgehen lässt.«
John Sideblossom ließ seinen schwarzen Hengst an der Kutsche
der Wardens vorbei galoppieren und grüßte höflich.
Gwyneira seufzte.Auf ein Wiedersehen mit dem Schaf-Baron aus Otago
hätte sie nur zu gern verzichtet!
Immerhin hatte Sideblossom Gerald seine Parteinahme für die
Männer aus Canterbury nicht übel genommen und ihm und
seiner Familie sogar Sitze im Gerichtssaal reserviert. Er begrüßte
Gerald herzlich, Paul ein wenig herablassend und Gwyneira mit eisiger
Kälte.
»Ist ihre reizende Tochter wieder aufgetaucht?«,
fragte er spöttisch, als sie sich setzte – auf den vier
reservierten Plätzen, so weit weg von ihm wie möglich.
Gwyneira antwortete nicht. Dafür beeilte sich Paul, seinem
Idol zu versichern, man hätte nie wieder von Fleurette gehört.
»In Haldon erzählt man, sie muss in irgendeinem
Sündenpfuhl gelandet sein!«, verkündete Paul,
woraufhin Gerald ihn streng zurechtwies. Gwyneira reagierte nicht.
Sie hatte sich in den letzten Wochen angewöhnt, immer seltener
auf Paul einzugehen. Der Junge war ihrem Einfluss längst
entwachsen – wenn sie überhaupt je welchen gehabt hatte.
Er orientierte sich nur noch an Gerald; auch Helens Schulstunden
besuchte er kaum noch. Gerald sprach immer wieder davon, einen
Hauslehrer für den Jungen einzustellen, doch Paul war der
Ansicht, für einen Farmer und Viehzüchter habe er genug
Schulwissen erworben. Bei derArbeit auf der Farm sog er das Wissen
der Viehhirten und Schafscherer allerdings weiterhin auf wie ein
Schwamm. Er war zweifellos der Erbe, den Geraldsich gewünscht
hatte – wenn auch kaum der Partner, von dem George Greenwood
träumte. Der junge Maori Reti, der Georges Geschäfte
führte, solange dieser in England war, beschwerte sich bei
Gwyneira. SeinerAnsicht nach zog Gerald einen zweiten Ignoranten wie
Howard O’Keefe heran – allerdings einen mit weniger
Erfahrung und mehr Macht.
»Der Junge lässt sich jetzt schon nichts sagen«,
klagte Reti. »Die Farmarbeiter mögen ihn nicht, und die
Maoris hassen ihn geradezu.Aber Mr. Gerald lässt ihm ja alles
durchgehen. Die Aufsicht über einen Scherschuppen! Ein
zwölfjähriger Junge!«
Gwyneira hatte das alles schon von den Scherern selbst gehört,
die sich ungerecht behandelt fühlten. In seinem Drang, sich
wichtig zu machen und den traditionellen Wettkampf zwischen den
Scherschuppen zu gewinnen, hatte Paul deutlich mehr Schuren vermerkt,
als tatsächlich stattgefunden hatten. Den Scherern konnte das
natürlich nur recht sein, schließlich wurden sie nach
Stückzahl bezahlt. Aber später stimmten die Mengen der
Vliese nicht mit den Eintragungen überein. Gerald tobte und
machte die Scherer dafür verantwortlich. Die anderen Scherer
beschwerten sich, weil der Wettkampf manipuliert und die Prämien
falsch verteilt worden waren.Alles in allem war es ein schreckliches
Durcheinander, und Gwyn musste schließlich allen einen deutlich
höheren Lohn zahlen, damit die Scherkolonnen im nächsten
Jahr überhaupt wiederkamen.
Gwyneira hatte Pauls Unarten gründlich satt. Am liebsten
hätte sie ihn für ein paar Jahre nach England oder
zumindest nach Dunedin aufs Internat geschickt. Davon wollte Gerald
allerdings nichts hören, und so tat Gwyn, was sie immer schon
getan hatte, seit Paul geboren war: Sie ignorierte ihn.
Jetzt, im Gerichtssaal, verhielt er sich Gott sei Dank still. Er
lauschte der Unterhaltung zwischen Gerald und Sideblossom und den
frostigen Begrüßungen der anderen Schaf-Barone für
den Besucher aus Otago. Der Saal füllte sich rasch, und Gwyn
winkte Reti zu, der sich als einer der Letzten in den Raum drückte.
Es gab wohl ein paar Schwierigkeiten – einige pakeha wollten
dem Maori nicht Platz machen –, doch die Erwähnung des
Namens Greenwood öffnete Reti
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