Im Land der weissen Rose
... sie ist die Mutter
von Miss Fleur, nicht wahr?«, fragte Leonard. »Hat sie
kein Interesse an der Übernahme?«
»Interesse schon ... oh, vielen Dank, Laurie, ihr seid
einfach wundervoll, was hätte ich nur ohne euch gemacht!«
Helen hielt Laurie, die eben mit frischem Tee an den Tisch kam, ihre
Tasse hin.
Laurie füllte sie so geschickt, wie Helen es ihr auf dem
Schiff beigebracht hatte.
»Woher wissen Sie, dass das Laurie ist?«, fragte
Leonard verblüfft. »Ich kenne niemanden, derdie beiden
auseinander halten kann.«
Helen lachte. »Wenn man es den Zwillingen selbst überließ,
pflegte Mary den Tisch zu decken, und Laurie servierte. Achten Sie
mal darauf – Laurie ist die aufgeschlossenere, Mary bleibt auch
gern im Hintergrund.«
Das war Leonard zwar noch nie aufgefallen, doch er bewunderte
Helens Beobachtungsgabe. »Was ist nun mit Ihrer Freundin?«
»Nun, Gwyneira hat eigene Probleme«, meinte Helen.
»Sie sind doch selbst mitten hineingeraten. Dieser
Maori-Häuptling versucht, sie in die Knie zu zwingen, und sie
hat keine Chance, über Pauls Kopf hinweg irgendetwas zu tun.
Vielleicht, wenn der Gouverneur endlich entscheidet ...«
»Und die Möglichkeit, dass dieser Paul zurückkommt
und seine Probleme selber löst?«, meinte Leonard. Es
erschien ihm ziemlich unfair, die beiden Frauen mit dieser Misere
allein zu lassen.Allerdings hatte er Gwyneira Warden noch nicht
kennen gelernt. Wenn die ihrer Tochter ähnlich war, konnte sie
es sicher mit einem halben Kontinent voller renitenter Wilder
aufnehmen.
»Problemlösung ist nicht gerade die Stärke der
männlichen Wardens.« Helen lächelte schief. »Und
was Pauls Rückkehr angeht ... die Stimmung in Haldon wendet sich
langsam, George Greenwood hat da schon Recht gehabt. Zuerst wollten
sie ihn ja alle am liebsten lynchen,aber inzwischen überwiegt
das Mitgefühl mit Gwyn. Sie meinen, sie brauchte einen Mann auf
der Farm, und da sind sie schon mal bereit, über so ein paar
Kleinigkeiten wie Mord hinwegzusehen.«
»Sie sind zynisch, Miss Helen!«, rügte Leonard.
»Ich bin realistisch. Paul hat einen unbewaffneten Mann ohne
Warnung in die Brust geschossen. Vor zwanzig Zeugen.Aber lassen wir
das, ich will ihn auch nichthängen sehen. Was würde das
schon ändern? Wenn er allerdings zurückkommt, eskaliert die
Sache mit dem Häuptling. Und dann hängt er vielleicht für
den nächsten Mord.«
»Der Junge scheint tatsächlich mit dem Strick zu
liebäugeln«, seufzte Leonard. »Ich...«
Er wurde unterbrochen, als jemand an die Tür klopfte. Laurie
öffnete. Gleich darauf flitzte ein kleiner Hund zwischen ihren
Beinen hindurch. Hechelnd baute sich Friday vor Helen auf.
»Mary, komm schnell! Ich glaub, das ist Miss Gwyn! Und Cleo!
Dass die noch lebt, Miss Gwyn!«
Doch Gwyneira schien die Zwillinge nicht wahrzunehmen. Sie war
dermaßen aufgebracht, dass sie die beiden gar nicht erkannte.
»Helen«, stieß sie hervor, »ich bringe
diesen Tonga um! Ich konnte mich gerade noch beherrschen, nicht mit
dem Gewehr ins Dorf zu reiten!Andy sagt, seine Leute hätten
einen Planwagen überfallen – weiß der Himmel, was
der bei uns wollte und wo er jetzt ist! Im Dorf amüsieren sie
sich jedenfalls köstlich und rennen mit Büstenhaltern und
Damenschlüpfern herum ... oh, Verzeihung, Mister, ich ...«
Gwyneira wurde rot, als sie sah, dass Helen Männerbesuch hatte.
McDunn lachte. »Schon gut, Mrs. Warden. Ich bin über
die Existenz weiblicher Unterwäsche unterrichtet, um nicht zu
sagen: Ich habe sie verloren. Der Wagen gehörte mir. Gestatten,
Leonard McDunn, von O’Kay Warehouse.«
»Warum fahren Sie nicht einfach mit nach Queenstown?«,
fragte McDunn ein paar Stunden später und sah Helen an.
Gwyneira hatte sich beruhigt und gemeinsam mit Helen und den
Zwillingen die hungrigen Schafscherer gefüttert. Sie lobte alle
für den guten Fortgang der Schur, auch wenn sie über die
Qualität der Wolle ziemlich erschrocken war. Sie hatte gehört,
O’Keefe produziere viel Ausschuss, aber so groß hatte sie
sich die Probleme nicht vorgestellt. Jetzt saß sie mit Helen
und McDunn vor dem Kamin und öffnete eben eine der glücklich
geretteten Flaschen Beaujolais.
»Auf Ruben und seinen hervorragenden Geschmack!«,
sagte sie vergnügt. »Wo hat er den
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