Im Land der weissen Rose
McDunn, ohne auf
den Jungen einzugehen. »Könnt ihr mir auch sagen, wo ich
hier überhaupt bin? Das ist doch nicht mehr ... wie hieß
es gleich? Kiward Station?«
Die Kinder kicherten, als hätte er einen Witz gemacht.
»Nein, das ist O’Keefe Station.Aber Mr. O’Keefe
ist tot.«
»Den hat Mr. Warden totgeschossen!«, fügte das
Mädchen hinzu.
Als Police Officer, überlegte McDunn amüsiert, konnte
man sich kaum auskunftsfreudigere Menschen wünschen. In Haldon
waren die Leute mitteilsam, da hatte Ruben wohl Recht.
»Und nun ist er im Hochland, und Tonga sucht ihn.
»Pssst, Kia, das darfst du doch nicht sagen!«
»Wollen Sie zu Miss Helen, Mister? Sollen wir sie holen? Sie
ist im Scherschuppen, oder...«
»Nein, Matiu, sie ist im Haus. Weißt du nicht? Sie hat
gesagt, sie muss kochen für all die Leute...«
»Miss Helen?«, quietschte Laurie.
»Unsere Miss Helen?«, echote Mary.
»Sagen die auch immer das Gleiche?«, fragte der Junge
verwundert.
»Ich glaube, du bringst uns jetzt erst mal zu dieser Farm«,
sagte McDunn gelassen. »Wie es aussieht, haben wir hier nämlich
genau das gefunden, was wir gesucht haben.«
Und Mr. Howard, dachte er mit grimmigem Lächeln, dürfte
wohl auch kein Hindernis mehr darstellen.
Eine halbe Stunde später waren die Pferde ausgespannt und
standen in Helens Stall. Helen – völlig aufgelöst vor
Freude und Überraschung – hatte ihre lange verloren
geglaubten Zöglinge von der Dublin in die Arme geschlossen. Sie
konnte immer noch kaum glauben, dass die halb verhungerten Kinder von
damals sich zu so fröhlichen, sogar etwas drallen jungen Frauen
ausgewachsen hatten, die jetzt ganz selbstverständlich das
Regiment in ihrer Küche übernahmen.
»Das soll für eine ganze Kompanie Männer reichen,
Miss Helen?«
»Nie und nimmer, Miss Helen, das müssen wir strecken.«
»Sollen das Pastetchen werden, Miss Helen? Da nehmen wir
aber besser mehr Süßkartoffeln und nicht so viel Fleisch.«
»Brauchen die Kerle auch gar nicht, sonst werden sie
übermütig!«
Die Zwillinge kicherten vergnügt.
»Und so können Sie kein Brot kneten,Miss Helen! Warten
Sie, wir machen erst mal Tee!«
Mary und Laurie hatten jahrelang die Kundschaft in Daphnes Hotel
bekocht. Die Versorgung einer Schafscherer-Kolonne bereitete ihnen
keinerlei Schwierigkeiten. Während sie zwitschernd in der Küche
werkelten, saß Helen mit Leonard McDunn am Küchentisch. Er
erzählte von dem seltsamen Maori-Überfall, der ihn
hergeführt hatte, während Helen die Umstände von
Howards Tod berichtete.
»Natürlich trauere ich um meinen Mann«, erklärte
sie und strich das schlichte, dunkelblaue Kleid glatt, das sie seit
Howards Beerdigung fast ständig trug. Für schwarze
Trauerkleidung hatte das Geld nicht gereicht. »Aber irgendwie
ist es auch eine Erleichterung ... Entschuldigen Sie, Sie müssen
mich fürvöllig herzlos halten ...«
McDunn schüttelte den Kopf. Er fand Helen O’Keefe ganz
und gar nicht herzlos. Im Gegenteil, er hatte sich an ihrer Freude
kaum satt sehen können, als sie vorhin die Zwillinge in die Arme
schloss. Mit ihrem leuchtend braunen Haar, dem schmalen Gesicht und
den ruhigen grauen Augen schien sie ihm auch äußerst
attraktiv.Allerdings wirkte sie erschöpft und ausgelaugt und war
blass trotz der Sonnenbräune. Man sah ihr an, dass die Situation
sie überforderte. Die Küche war offensichtlich ebenso wenig
der Ort, an dem sie sich wohl fühlte, wie der Kuhstall. Sie war
vorhin sehr erleichtert gewesen, als die Maori-Kinder ihr angeboten
hatten, die Kuh gleich zu melken.
»Ihr Sohn hat schon durchblicken lassen, dass sein Vater
nicht immer ganz einfach war. Was wollen Sie nun mit der Farm
anfangen? Verkaufen?«
Helen zuckte die Achseln. »Wenn jemand sie haben will ...
Das Einfachste wäre, sie Kiward Station einzuverleiben. Dann
würde Howard uns zwar aus dem Grab heraus verfluchen,aber das
wäre mir ziemlich egal.Als Einzelunternehmen ist die Farm im
Grunde nicht rentabel. Es gibt zwar viel Land, aber es ernährt
die Tiere nicht ausreichend. Wenn man es trotzdem bearbeiten will,
braucht man große Fachkenntnis und Einstiegskapital. Die Farm
ist heruntergewirtschaftet, Mr. McDunn. Man muss es leider so sagen.«
»Und Ihre Freundin aus Kiward Station
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