Im Land Der Weissen Wolke
gekauft. Darjeeling, aus London ...« Ihre Stimme bekam einen sehnsüchtigen Beiklang.
Gwyneira schaute sich in dem ärmlich eingerichteten Raum um. Die zwei wackeligen Stühle, die sauber gescheuerte, jedoch abgenutzte Tischplatte, auf der die Maori-Bibel lag. Der brodelnde Eintopf auf dem schäbigen Ofen. Das alles war nicht die ideale Atmosphäre für eine Teestunde. Sie dachte an Mrs. Candlers gemütliches Heim. Dann schüttelte sie entschlossen den Kopf. »Tee kochen können wir nachher. Jetzt sattelst du erst mal das Maultier ... Insgesamt gestehe ich dir ... na, sagen wir mal, drei Reitstunden zu. Dann treffen wir uns in Haldon.«
Das Maultier erwies sich als wenig kooperativ. Als Helen es einfangen wollte, lief es davon und schnappte nach ihr. Sie atmete auf, als Reti, Rongo und zwei andere Kinder erschienen. Helens erhitztes Gesicht, ihr Schimpfen und die Hoffnungslosigkeit ihrer Einfangaktion gab den Maoris zwar wieder mal Anlass zum Kichern, doch Reti hatte dem Maultier das Halfter binnen weniger Sekunden umgelegt. Er ging Helen dann auch beim Satteln zur Hand, während Rongo das Tier mit Süßkartoffeln fütterte. Aber dann half alles nichts. Aufsteigen musste Helen allein.
Gwyneira setzte sich auf den Koppelzaun, während sie versuchte, das Tier in Gang zu bringen. Die Kinder stießen sich an und kicherten erneut, als das Muli anfangs keine Anstalten machte, auch nur einen Huf vor den anderen zu setzen. Erst als Helen es schwungvoll in die Seite trat, gab es eine Art Stöhnen von sich und trat an. Doch Gwyneira war nicht zufrieden.
»So wird das nichts! Wenn du es trittst, geht es nicht vorwärts, dann wird es nur wütend!« Gwyneira hockte auf dem Holzzaun wie ein Hütejunge und unterstrich ihre Rede mit dirigierenden Bewegungen ihrer Reitgerte. Ihr einziges Zugeständnis an die Schicklichkeit bestand darin, die Füße hochzuziehen und artig unter dem Reitrock zu verstecken, was ihren Sitz ziemlich unsicher machte. Dabei wäre der Balanceakt gar nicht nötig gewesen. Die feixenden Kinder hätten Gwyneiras Beinen vermutlich nicht mal dann einen zweiten Blick geschenkt, wenn sie nicht ganz auf die Ereignisse im Paddock konzentriert gewesen wären. Liefen ihre Mütter doch ständig barfuß, mit halblangen Röcken oder gar halb nackt herum.
Doch Helen hatte jetzt keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Sie musste sich zu sehr darauf konzentrieren, ihr störrisches Maultier um den Paddock zu lenken. Erstaunlicherweise war das Obenbleiben gar nicht so schwer; Howards alter Sattel bot genügend Halt. Aber leider neigte ihr Reittier dazu, an jedem Grasbüschel stehen zu bleiben.
»Wenn ich es nicht trete, bewegt es sich gar nicht!«, klagte sie und stieß dem Muli noch einmal die Absätze in die Rippen. »Vielleicht ... wenn du mir das Stöckchen gibst. Dann könnte ich es hauen!«
Gwyneira verdrehte die Augen. »Wer hat dich bloß als Erzieherin angeheuert? Schlagen, treten ... mit deinen Kindern gehst du doch auch nicht so um!« Sie warf einen Blick auf die feixenden kleinen Maoris, die den Kampf ihrer Lehrerin mit dem Maultier sichtlich genossen. »Du musst das Maultier lieben, Helen! Bring es dazu, gern für dich zu arbeiten. Na los, sag ihm was Nettes!«
Helen seufzte, dachte nach und beugte sich dann widerwillig nach vorn. »Was hast du für schöne, weiche Öhrchen!«, gurrte sie und versuchte, die gewaltigen Tütenohren des Muli zu streicheln. Das Tier quittierte die Annäherung mit einem wütenden Schnappen in Richtung ihrer Beine. Helen fiel vor Schreck beinahe vom Maultier, Gwyneira vor Lachen fast vom Zaun.
»Lieben!«, schnaubte Helen. »Es hasst mich!«
Eines der älteren Maori-Kinder machte eine Bemerkung, die von den anderen mit Kichern quittiert wurde, während Helen rot anlief.
»Was hat er gesagt?«, erkundigte sich Gwyn.
Helen biss sich auf die Lippen. »Nur ein Bibelzitat«, murmelte sie.
Gwyn nickte bewundernd. »Also, wenn du diese Rotzblagen dazu kriegst, freiwillig die Bibel zu zitieren, solltest du doch auch einen Esel in Gang bringen! Das Muli ist deine einzige Fahrkarte nach Haldon. Wie heißt es eigentlich?« Gwyneira wedelte mit der Gerte, hatte aber offensichtlich nicht die Absicht, sie ihrer Freundin zum Antreiben des Mulis zur Verfügung zu stellen.
Helen sah ein, dass sie das Maultier würde taufen müssen ...
Nach der Reitstunde tranken sie doch noch Tee, und Helen erzählte von ihren kleinen Schülern.
»Reti, der älteste Junge, ist sehr aufgeweckt, aber
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