Im Land Der Weissen Wolke
schon vor dem Personal darüber, sogar vor den Viehtreibern. Ich soll mich weniger in den Ställen herumtreiben, sagt er, und mich mehr um meinen Mann kümmern. Dann käme irgendwann ein Baby. Aber ich werde doch nicht schwanger, wenn ich Lucas beim Malen zugucke!«
»Aber er ... besucht dich doch regelmäßig?«, fragte Helen vorsichtig. Sie selbst war sich jetzt sicher, dass irgendetwas mit ihr anders war, obwohl nach wie vor niemand die Schwangerschaft bestätigt hatte.
Gwyneira nickte und zupfte sich am Ohrläppchen. »Ja, Lucas bemüht sich. Es muss an mir liegen. Wenn ich nur wüsste, wen ich fragen kann ...«
Helen kam ein Gedanke. Sie musste in absehbarer Zeit in die Maori-Siedlung, und dort ... Sie wusste nicht warum, aber sie schämte sich weniger, den Eingeborenenfrauen von ihrer möglichen Schwangerschaft zu erzählen, als mit Mrs. Candler oder einer anderen Frau aus dem Ort darüber zu reden. Warum sollte sie bei der Gelegenheit nicht gleich auch Gwyneiras Problem ansprechen?
»Weißt du was? Ich frage die Maori-Zauberin oder was immer sie ist«, sagte sie kurz entschlossen. »Die Großmutter der kleinen Rongo. Sie ist sehr freundlich. Als ich beim letzten Mal bei ihr war, hat sie mir ein Stück Jade geschenkt, als Dank dafür, dass ich die Kinder unterrichte. Sie gilt bei den Maoris als tohunga , als Weise Frau. Vielleicht versteht sie ja etwas von Frauengeschichten. Mehr als wegschicken kann sie mich nicht.«
Gwyneira war skeptisch. »Ich glaube eigentlich nicht an Zauber«, meinte sie, »aber einen Versuch ist es wert.«
Matahorua, die Maori- tohunga , empfing Helen vor dem wharenui , dem mit reichen Schnitzereien versehenen Versammlungshaus. Es war ein luftiger Bau, dessen Architektur einem Lebewesen nachempfunden war, wie Helen von Rongo wusste. Der First bildete das Rückgrat, die Dachlatten die Rippen. Vor dem Haus gab es einen überdachten Grillplatz, den kauta , wo für alle gekocht wurde, denn die Maoris lebten in enger Gemeinschaft. Sie schliefen zusammen in großen Schlafhäusern, die nicht in Einzelräume aufgeteilt wurden, und kannten praktisch keine Möbel.
Matahorua bot Helen eine Sitzgelegenheit auf einem der Steine an, die neben dem Haus aus dem Grasboden ragten.
»Wie kann helfen?«, fragte sie ohne große Vorrede.
Helen kramte in ihrem Maori-Wortschatz, der weitgehend auf dem der Bibel sowie päpstlicher Dogmen beruhte. »Was tun, wenn nicht Empfängnis?«, erkundigte sie sich und hoffte, dass sie das »unbefleckt« dabei wirklich wegließ.
Die alte Frau lachte und überschüttete sie mit einem unverständlichen Wortschwall.
Helen machte eine Geste des Nicht-Verstehens.
»Wieso nicht Baby?«, versuchte Matahorua es daraufhin auf Englisch. »Du doch bekommen Baby! In Winter, wenn sehr kalt. Ich kommen helfen, wenn du willst. Schöne Baby, gesunde Baby!«
Helen konnte es nicht fassen. Also stimmte es – sie würde ein Kind haben!
»Ich kommen helfen, wenn wollen«, bot Matahorua erneut freundlich an.
»Ich ... danke, du bist ... willkommen«, formulierte Helen mühsam.
Die Zauberin lächelte.
Aber irgendwie musste Helen jetzt auf ihre Frage zurückkommen. Sie versuchte es wieder auf Maori.
»Ich Empfängnis«, erklärte sie und zeigte auf ihren Bauch, wobei sie diesmal kaum errötete. »Aber Freundin nicht Empfängnis. Was kann tun?«
Die alte Frau zuckte die Schultern und gab wieder umfangreiche Erklärungen in ihrer Muttersprache. Schließlich winkte sie Rongo Rongo, die in der Nähe mit anderen Kindern spielte.
Das kleine Mädchen näherte sich unbefangen und war offensichtlich gern bereit, Übersetzerdienste zu leisten. Helen trieb es zwar die Schamröte ins Gesicht, ein Kind mit solchen Dingen zu konfrontieren, doch Matahorua schien nichts dabei zu finden.
»Das sie so kann nicht sagen«, erklärte Rongo, nachdem die tohunga ihre Worte noch einmal wiederholt hatte. »Kann haben viele Gründe. Bei Mann, bei Frau, bei beide ... Muss sie sehen Frau, oder besser noch, Mann und Frau. So sie kann nur raten. Und raten nichts wert.«
Immerhin schenkte Matahorua Helen ein weiteres Stück Jade für ihre Freundin.
»Freunde von Miss Helen immer willkommen!«, bemerkte Rongo.
Helen zog zum Dank ein paar Saatkartoffeln aus ihrem Beutel. Howard würde schimpfen, wenn sie das wertvolle Saatgut verschenkte, doch die alte Maori freute sich sichtlich. Mit ein paar Worten wies sie Rongo an, Kräuter zu holen, die sie Helen reichte.
»Hier, gegen Schlechtgehen an Morgen. Tun
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