Im Land Der Weissen Wolke
mit anderen Rassen gibt es kein gleichmäßiges Ergebnis.«
George verstand von all dem nur die Hälfte, war aber ausreichend beeindruckt – erst recht, als sie glücklich die Ausläufer des Hochlands erreichten, wo die jungen Widder frei weideten. Gwyneiras junge Hütehunde trieben die Herde zunächst zusammen, separierten dann die beiden verkauften Tiere – die Gwyneira auf Anhieb erkannte – und geleiteten sie gelassen zu Tal. Gwyn verhielt ihre Stute und ritt im Tempo der Schafe mit. George nutzte die Gelegenheit, endlich vom Thema »Schafe« wegzukommen und eine Frage zu stellen, die ihm viel brennender am Herzen lag.
»In Christchurch sagte man mir, Sie kennen Helen O’Keefe ...«, erkundigte er sich vorsichtig – und hatte gleich darauf eine weitere Verabredung mit der Herrin von Kiward Station. Er würde Gerald sagen, dass er am nächsten Tag nach Haldon reiten wollte, und Gwyneira würde ihn ein Stück des Weges begleiten, um Fleur in Helens Schule zu bringen. Tatsächlich würde er ihr bis zur Farm der O’Keefes folgen.
George klopfte das Herz bis zum Hals. Morgen würde er sie wiedersehen!
3
Hätte Helen ihr Dasein in den letzten Jahren beschreiben müssen – ehrlich und ohne die Beschönigungen, mit denen sie sich tröstete und die Leser ihrer Briefe nach England hoffentlich beeindruckte –, hätte sie das Wort »Überleben« gewählt.
Während Howards Farm bei ihrer Ankunft noch ein vielversprechendes Unternehmen zu sein schien, ging es seit Rubens Geburt immer weiter bergab. Die Anzahl der Zuchtschafe nahm zwar zu, die Qualität der Wolle aber schien eher schlechter zu werden, die Verluste im Frühjahr waren erdrückend. Außerdem versuchte Howard sich in Hinblick auf Geralds erfolgreiche Vorstöße seit einiger Zeit mit der Rinderzucht.
»Ein Wahnsinn!«, wie Gwyneira es Helen gegenüber kommentierte. »Rinder brauchen ein Mehrfaches an Gras und Winterfutter als Schafe«, erklärte sie. »Auf Kiward Station ist das kein Problem. Selbst mit dem Land, das jetzt schon gerodet ist, könnten wir fast die doppelte Anzahl Schafe ernähren. Aber euer Land ist karg, es liegt ja auch viel höher. Da wächst nicht so viel, ihr kriegt ja schon die Schafe kaum satt. Und dann erst Rinder! Das ist hoffnungslos. Man könnte es mit Ziegen versuchen. Aber das Beste wäre, all das Viehzeug abzustoßen, das ihr da herumlaufen habt, und mit ein paar guten Schafen neu anzufangen. Qualität, nicht Quantität!«
Helen, für die Schaf bislang gleich Schaf gewesen war, musste sich Vorträge über Rassen und Kreuzungen anhören, und während sie am Anfang eher gelangweilt war, hörte sie schließlich immer aufmerksamer zu, je öfter Gwyneira dozierte. Wenn man ihrer Freundin glauben dürfte, war Howard beim Ankauf seiner Schafe auf ziemlich dubiose Viehhändler hereingefallen – oder hatte einfach kein Geld ausgeben wollen. Auf jeden Fall waren seine Tiere wilde Mischungen, eine gleichmäßige Wollqualität war nicht zu erreichen. Egal, wie sorgfältig man Futterauswahl und Weideführung gestaltete.
»Das siehst du doch schon an den Farben, Helen!«, erklärte Gwyneira. »Die sehen alle unterschiedlich aus. Unsere dagegen ähneln sich wie ein Ei dem anderen. So muss das sein, dann kannst du große Kontingente qualitativ guter Wolle verkaufen und kriegst einen guten Preis.«
Helen sah das ein und versuchte auch schon mal, hier vorsichtig auf Howard einzuwirken. Der erwies sich ihren Vorschlägen gegenüber jedoch als wenig aufgeschlossen. Er wies sie sogar schroff zurecht, wenn sie nur damit anfing. Überhaupt konnte er Kritik nicht vertragen – was ihm auch unter Viehhändlern und Wollaufkäufern keine Freunde machte. Letztlich hatte er sich mit fast allen überworfen – außer dem langmütigen Peter Brewster, der ihm für seine drittklassige Wolle zwar keinen Spitzenpreis bot, sie aber immerhin abnahm. Helen wagte gar nicht darüber nachzudenken, was geschehen würde, wenn Brewsters nun tatsächlich nach Otago abwanderten. Dann waren sie von seinem Nachfolger abhängig, und auf Diplomatie von Seiten Howards war nicht zu hoffen. Würde der Mann dann trotzdem Verständnis zeigen, oder die Farm bei künftigen Einkaufsreisen einfach übergehen?
Die Familie lebte jedenfalls jetzt schon von der Hand in den Mund, und ohne die Hilfe der Maoris, die den Schulkindern immer wieder Jagdbeute, Fische oder Gemüse mitgaben, um für den Unterricht zu bezahlen, hätte Helen oft nicht weitergewusst. An eine Hilfe für
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