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Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Stall und Haushalt war auf keinen Fall zu denken – im Gegenteil, Howard zog Helen immer häufiger auch bei der Farmarbeit hinzu, weil er sich nicht einmal einen Maori-Helfer leisten konnte. Dabei versagte Helen meist kläglich, und Howard tadelte sie streng, wenn sie beim Lammen wieder mal errötete, statt zuzupacken, oder beim Schlachten in Tränen ausbrach.
    »Stell dich nicht so an!«, schimpfte er und zwang sie, hinzusehen und anzufassen. Helen versuchte, Ekel und Angst herunterzuschlucken und tat mit Todesverachtung, was er von ihr verlangte. Allerdings konnte sie es nicht ertragen, wenn er ihren Sohn ebenso behandelte, und das kam immer häufiger vor. Howard konnte es kaum erwarten, dass der Junge heranwuchs und »nützlich« wurde, obwohl jetzt schon abzusehen war, dass auch Ruben sich wenig für die Farmarbeit eignen würde. Das Kind hatte äußerlich zwar einige Ähnlichkeit mit Howard – es war groß, mit vollen dunklen Locken, und würde sicher kräftig werden. Die verträumten grauen Augen hatte es jedoch von der Mutter, und auch Rubens Wesen passte wenig zur Härte des Farmbetriebs. Der Junge war Helens ganzer Stolz: freundlich, höflich und angenehm im Umgang, dazu hochintelligent. Mit seinen fünf Jahren konnte der Junge bereits gut lesen und verschlang selbst Wälzer wie Robin Hood und Ivanhoe . Er verblüffte in der Schule, indem er die Rechenaufgaben der Zwölf-und Dreizehnjährigen löste, und natürlich sprach er fließend Maori. Handarbeiten lagen ihm jedoch nicht; selbst die kleine Fleur war geschickter darin, die eben geschnitzten Bögen für ihr Robin-Hood-Spiel mit Pfeilen zu versehen und diese abzufeuern.
    Aber Ruben war willig. Wenn Helen ihn um etwas bat, bemühte er sich stets nach Kräften, die Aufgabe zu meistern. Howards rauer Ton jedoch machte ihm Angst, und die blutrünstigen Geschichten, die sein Vater ihm erzählte, um ihn abzuhärten, verschreckten ihn. Rubens Verhältnis zu Howard wurde deshalb mit jedem Jahr schlechter – und Helen sah schon ein ähnliches Desaster voraus wie zwischen Gerald und Lucas auf Kiward Station. Leider ohne das Vermögen im Hintergrund, das es Lucas ermöglichen würde, einen fähigen Verwalter einzustellen.
    Wenn Helen dies alles bedachte, tat es ihr manchmal Leid, dass ihre Ehe nicht mit weiteren Kindern gesegnet war. Howard hatte irgendwann nach Rubens Geburt zwar seine Besuche bei ihr wieder aufgenommen, doch zu einer weiteren Empfängnis war es nicht gekommen. Das mochte an Helens Alter liegen oder auch daran, dass Howard nie wieder so regelmäßig mit ihr schlief wie im ersten Jahr ihrer Ehe. Helens offensichtlicher Unwille, die Anwesenheit des Kindes im Schlafzimmer und Howards zunehmender Alkoholgenuss wirkten nicht sonderlich stimulierend. Häufiger als im Bett seiner Frau suchte Howard sein Vergnügen am Spieltisch im Pub zu Haldon. Ob es dort auch Frauen gab und vielleicht so mancher Spielgewinn in die Taschen einer Hure wanderte, wollte Helen gar nicht erst wissen.

    Heute jedoch war ein guter Tag. Howard war gestern nüchtern geblieben und schon früh, vor Tau und Tag, in die Berge geritten, um nach den Mutterschafen zu sehen. Helen hatte die Kühe gemolken, Ruben die Eier eingesammelt, und gleich würden die Maori-Kinder zur Schule kommen. Helen hoffte auch auf einen Besuch von Gwyneira. Fleurette würde quengeln, wenn sie wieder nicht zur Schule durfte – eigentlich war sie noch viel zu klein, doch sie brannte darauf, Lesen zu lernen und beim Vorlesen nicht mehr auf die mangelnde Geduld ihrer Mutter angewiesen zu sein. Ihr Vater war da zwar langmütiger, doch seine Bücher gefielen Fleur nicht. Sie mochte nichts von braven kleinen Mädchen hören, die verarmten und ins Unglück gerieten und dann nur durch Glück oder Zufall irgendwie wieder herauskamen. Sie hätte den ekelhaften Stiefmüttern, Pflegeeltern oder Hexen wahrscheinlich eher das Haus angezündet als die Kamine befeuert! Lieber las sie von Robin Hood und seinen Mannen oder ging mit Gulliver auf Reisen. Helen lächelte bei dem Gedanken an den kleinen Wirbelwind. Kaum zu glauben, dass der stille Lucas Warden ihr Vater war.

    George Greenwood hatte Seitenstechen vom schnellen Traben. Gwyneira hatte sich diesmal dem Gebot der Schicklichkeit gebeugt und ihr Pferd anspannen lassen. Die elegante Stute Igraine zog den Zweisitzer mit Elan; sie hätte jedes Kutschenrennen gewinnen können. Georges Mietpferd kam zum Teil nur im Galopp mit, mühte sich meist aber nach Kräften und

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