Im Land Der Weissen Wolke
die Probearbeit auf Kiward Station nicht wollte, sollte O’Keefe ihn haben.
O’Keefe hatte allerdings eher ein Auge auf ihre erste Wahl geworfen. Joe Triffles, den Trinker. Anscheinend kannten sich die Männer. Jedenfalls schlenderte O’Keefe jetzt zu ihnen hinüber und grüßte Triffles, ohne Paul und Gerald auch nur eines Blickes zu würdigen.
»Tag, Joe! Ich such ein paar gute Schafscherer. Interessiert?«
Joe Triffles zuckte die Schultern. »Sonst gern, Howard, aber ich hab gerade hier eingeschlagen. Gutes Angebot, vier Wochen festes Gehalt und Kopfprämien für jedes geschorene Schaf.«
Howard baute sich wütend vor dem Tisch auf.
»Ich zahle dir mehr!«, erklärte er.
Joe schüttelte bedauernd den Kopf. »Ist zu spät, Howie, hab mein Wort gegeben. Wusst ja nicht, dass das hier ’ne Auktion wird, dann hätt ich gewartet ...«
»Und wärst über ’n Tisch gezogen worden!« Gerald lachte. »Der Kerl hier tönt zwar rum, aber er konnte seine Scherer schon letztes Jahr nicht bezahlen! Deshalb will diesmal auch keiner hin. Außerdem regnet’s in seine Scherschuppen rein.«
»Dafür will ich ’nen Aufpreis!«, bemerkte der dritte Mann, der Gerald noch nicht zugesagt hatte. »Kriegt man sonst Rheuma von!«
Die Männer lachten jetzt alle, und Howard schäumte vor Wut.
»So, ich kann nicht bezahlen?«, brüllte er. »Mag ja sein, dass meine Farm nicht so viel abwirft wie dein vornehmes Kiward Station. Aber ich brauchte dafür auch nicht die Butler-Erbin mit Gewalt in mein Bett zerren! Hat sie um mich geweint, Gerald? Hat sie dir erzählt, wie glücklich sie mit mir war? Und hat’s dich angetörnt?«
Gerald sprang auf und musterte Howard mit höhnischen Blicken. »Ob sie mich angetörnt hat? Barbara, diese Heulsuse? Dieses farblose kleine Ding ohne Mumm in den Knochen? Hör zu, Howard, von mir aus hättest du sie haben können! Mit der Kneifzange hätte ich das magere Ding nicht angefasst. Aber du musstest ja die Farm verspielen! Mein Geld, Howard! Mein sauer verdientes Geld. Und so wahr mir Gott helfe, bevor ich wieder auf Walfang ging, stieg ich lieber auf die kleine Barbara! Und nach wem sie in der Hochzeitsnacht geheult hat, war mir völlig gleich!«
Howard stürzte sich auf ihn. »Sie war mir versprochen!«, schrie er Gerald an. »Sie war mein!«
Gerald wehrte seine Hiebe ab. Er war bereits schwer betrunken, aber noch gelang es ihm, unter Howards ungezielten Schlägen wegzutauchen. Dabei sah er das Kettchen mit dem Jadestück, das Howard immer noch um den Hals trug. Mit einem Ruck zog er es an sich und hielt es hoch, damit alle im Pub es sehen konnten.
»Deshalb trägst du noch immer ihr Geschenk!«, spottete er. »Wie rührend, Howie! Ein Zeichen ewiger Liebe! Was sagt deine Helen dazu?«
Die Männer im Pub lachten. Howard griff in hilfloser Wut nach seinem Andenken, doch Gerald dachte nicht daran, es zurückzugeben.
»Barbara war keinem versprochen«, fuhr er stattdessen fort. »Egal, wie viel Tand ihr getauscht habt! Glaubst du, Butler hätte sie einem Habenichts und Spieler wie dir gegeben? Du hättest auch im Gefängnis landen können, wegen Veruntreuung der Gelder! Aber dank meiner und Butlers Nachsicht hast du deine Farm bekommen, hast deine Chance gehabt! Und was hast du daraus gemacht? Ein verrottetes Haus und ein paar verwahrloste Schafe! Bist die Frau nicht wert, die du dir in England bestellt hast! Kein Wunder, dass dein Sohn dir weggelaufen ist!«
»Das weißt du also auch schon!«, stieß O’Keefe hervor, schlug zu und landete einen Schwinger auf Wardens Nase. »Jeder weiß von meinem wunderbaren Sohn und seiner wunderbaren Frau – hast du die beiden womöglich finanziert, Warden? Um mir eins auszuwischen?«
In seiner flammenden Wut hielt Howard inzwischen alles für möglich. Ja, so musste es gewesen sein! Die Wardens steckten hinter der Ehe, die ihm seinen Sohn entfremdet hatte, hinter dem Warenhaus, das Ruben die Möglichkeit gab, auf Howard und seine Farm zu pfeifen ...
O’Keefe duckte sich unter Geralds rechtem Haken, senkte den Kopf und rammte ihn Gerald mit Wucht in den Magen. Der krümmte sich zusammen. Howard nutzte die Chance, gezielt mit einem Kinnhaken nachzusetzen, und Gerald wurde durch den halben Pub geschleudert. Mit einem hässlichen Laut krachte sein Schädel auf eine Tischkante.
Im Raum herrschte entsetztes Schweigen, als er leblos zu Boden sank.
Paul sah einen dünnen Blutfaden aus Geralds Ohr rinnen.
»Großvater! Großvater, hörst du mich!«
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