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Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Entsetzt kauerte Paul sich neben den leise stöhnenden Mann. Gerald öffnete langsam die Augen, doch er schien durch Paul und die gesamte Szenerie in der Bar hindurchzustieren. Mühsam versuchte er noch einmal, sich aufzurichten.
    »Gwyn ...«, flüsterte er. Dann wurden seine Augen glasig.
    »Großvater!«
    »Gerald! Bei Gott, das wollte ich nicht, Paul! Das wollte ich nicht!«
    Zu Tode erschrocken stand Howard O’Keefe vor Gerald Wardens Leiche. »Oh Gott, Gerald ...«
    Die anderen Männer im Pub regten sich langsam. Jemand rief nach einem Arzt. Die meisten hatten allerdings nur Augen für Paul, der jetzt langsam aufstand und Howard mit einem Blick fixierte, der starr und tödlich kalt war.
    »Sie haben ihn umgebracht!«, sagte Paul leise.
    »Aber ich ...« Howard zog sich zurück. Die Kälte und der Hass in Pauls Augen waren fast körperlich spürbar. Howard wusste nicht, wann er jemals zuvor eine solche Angst empfunden hatte. Instinktiv tastete er nach seinem Gewehr, das er vorhin an einen Stuhl gelehnt hatte. Doch Paul war schneller. Seit der Maori-Revolte auf Kiward Station trug er demonstrativ einen Revolver. Zur Selbstverteidigung, wie er behauptete, schließlich konnte Tonga jederzeit einen Angriff starten. Bisher hatte Paul die Waffe allerdings noch nie gezogen. Auch jetzt war er nicht schnell. Kein Revolverheld aus den Groschenheften, die seine Mutter als junges Mädchen verschlungen hatte, nur ein eiskalter Killer, der die Waffe langsam aus dem Holster nahm, zielte und schoss. Howard O’Keefe hatte keine Chance. Seine Augen spiegelten noch Unglauben und Angst, als die Kugel ihn zurückschleuderte. Er war tot, noch bevor er auf den Boden prallte.
    »Paul, um Himmels willen, was hast du getan!« George Greenwood hatte den Pub erst betreten, nachdem die Schlägerei zwischen Gerald und Howard schon im Gange war. Jetzt wollte er eingreifen, doch Paul richtete die Waffe auch auf ihn. Sein Blick flackerte.
    »Ich habe ... es war Notwehr! Ihr alle habt es gesehen! Er hat nach dem Gewehr gegriffen!«
    »Paul, steck die Waffe weg!« George hoffte nur noch, ein weiteres Blutbad verhindern zu können. »Das kannst du alles dem Officer erzählen. Wir schicken nach Mr. Hanson ...«
    Das friedliche kleine Haldon hatte nach wie vor keinen eigenen Gesetzeshüter.
    »Hanson kann mich mal! Es war Notwehr, das kann jeder hier bezeugen. Und er hat meinen Großvater getötet!« Paul kniete neben Gerald nieder. »Ich habe ihn gerächt! Das ist nur fair. Ich hab dich gerächt, Großvater!« Pauls Schultern zuckten im Rhythmus seines Schluchzens.
    »Sollen wir ihn festsetzen?«, fragte Clark, der Besitzer des Pubs, leise in die Runde.
    Richard Candler wehrte erschrocken ab. »Bloß nicht! Solange er die Waffe hat ... wir sind doch nicht lebensmüde! Da soll Hanson sich mit herumärgern. Jetzt holen wir erst mal den Doktor.« Über einen Arzt verfügte Haldon immerhin, und wie sich herausstellte, war der auch schon benachrichtigt. Er erschien gleich darauf im Pub und stellte rasch den Tod Howard O’Keefes fest. An Gerald wagte er sich allerdings nicht heran, solange Paul seinen Großvater schluchzend in den Armen hielt.
    »Können Sie nicht was machen, dass er ihn loslässt?«, fragte Clark, an George Greenwood gewandt. Er war offensichtlich interessiert daran, die Leichen so bald als möglich aus seiner Wirtschaft zu schaffen. Möglichst noch vor der Sperrstunde; die Schießerei würde das Geschäft sicher beleben.
    Greenwood zuckte die Achseln. »Lasst ihn. Solange er weint, schießt er wenigstens nicht. Und regt ihn bloß nicht weiter auf. Wenn er meint, es war Notwehr, dann war’s eben Notwehr. Was ihr morgen dem Officer erzählt, ist eine andere Sache.«
    Paul kam langsam wieder zu sich und erlaubte dem Arzt, seinen Großvater zu untersuchen. Mit einem letzten Funken Hoffnung im Blick beobachtete er, wie Doktor Miller den alten Mann abhorchte.
    Doktor Miller schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid, Paul, da ist nichts mehr zu machen. Schädelbruch. Er ist auf der Tischkante aufgeschlagen. Der Kinnhaken hat ihn nicht umgebracht, aber der unglückliche Sturz. Im Grunde war’s ein Unfall, Junge, tut mir Leid.« Er klopfte Paul tröstend auf die Schulter. Greenwood fragte sich, ob er wusste, dass der Junge Howard erschossen hatte.
    »Wir lassen die beiden jetzt zum Bestatter bringen, morgen kann Hanson sie sich ansehen«, bestimmte Miller. »Gibt es jemanden, der den Jungen nach Hause bringt?«
    George Greenwood bot sich an,

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