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Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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bisschen laufen, bis ...«
    »Ein bisschen laufen?« Gerald Warden hatte ihre Worte gehört und lachte dröhnend. »Ich kann nur für Sie hoffen, Miss Davenport, dass Ihr großartiger Verlobter Ihnen ein Maultier schickt. Sonst laufen Sie sich die Sohlen Ihrer Stadtschühchen heute noch ab. Der Bridle Path ist ein gebirgiger Pattweg, glitschig und feucht vom Nebel. Und wenn die Nebel steigen, wird es verflixt warm. Aber sieh doch, Gwyneira, da ist Lyttelton Harbour!«
    Die Menschen auf der Dublin teilten Geralds Aufregung, als die Nebel jetzt die Sicht auf eine beschauliche, birnenförmige Bucht freigaben. Gerald zufolge war dieses natürliche Hafenbecken vulkanischen Ursprungs. Die Bucht war von Bergen umgeben, und auch ein paar Häuser und Landungsstege wurden jetzt sichtbar.
    »Lassen Sie sich keine Angst machen«, meinte der Schiffsarzt inzwischen launig zu Helen. »Neuerdings gibt es einen Pendelverkehr von Lyttelton nach Christchurch, der einmal täglich geht. Da können Sie ein Maultier mieten. Sie brauchen den Weg nicht mehr hinaufzusteigen wie die ersten Siedler.«
    Helen zögerte. Sie konnte vielleicht ein Maultier mieten, aber was machte sie mit den Mädchen?
    »Wie ... wie weit ist es denn?«, fragte sie unschlüssig, während die Dublin sich jetzt rasch der Küste näherte. »Und müssen wir das ganze Gepäck tragen?«
    »Wie Sie wollen«, bemerkte Gerald. »Sie können es auch per Boot befördern lassen, den Avon River hinauf. Aber das kostet natürlich Geld. Die meisten Neusiedler schleppen ihr Zeug über den Bridle Path. Das sind zwölf Meilen.«
    Helen beschloss umgehend, nur ihren geliebten Schaukelstuhl transportieren zu lassen. Das sonstige Gepäck würde sie tragen wie alle anderen Einwanderer auch. Zwölf Meilen konnte sie laufen – sicher konnte sie das! Obwohl sie es natürlich vorher noch nie versucht hatte ...
    Inzwischen hatte sich das Hauptdeck geleert; die Passagiere eilten in ihre Kabinen, um ihre Habseligkeiten zu packen. Jetzt, da sie endlich am Ziel waren, wollten sie so schnell wie möglich von Bord. Auf dem Zwischendeck herrschte ein ähnliches Gedränge wie am Tag der Abfahrt.
    In der ersten Klasse ging man es gelassener an. Hier wurde das Gepäck in der Regel übernommen; die Herrschaften würden die Dienste des Transportunternehmens in Anspruch nehmen, das mittels Maultieren Personen und Waren ins Binnenland beförderte. Mrs. Brewster und Lady Barrington zitterten allerdings schon vor dem Ritt über den Pass. Beide waren es nicht gewöhnt, sich zu Pferd oder zu Maultier fortzubewegen, und hatten obendrein Schauergeschichten über die Gefahren des Weges gehört. Gwyneira hingegen konnte es kaum erwarten, ihre Igraine zu besteigen – und geriet darüber gleich in einen heftigen Disput mit Gerald.
    »Noch eine Nacht hier bleiben?«, fragte sie verwundert, als er andeutete, man werde das bescheidene, aber neuerdings vorhandene Gästehaus in Lyttelton nutzen. »Warum das denn?«
    »Weil wir die Tiere kaum vor dem späten Nachmittag ausladen können«, erklärte Gerald. »Und weil ich Treiber anfordern muss, um die Schafe über den Pass zu bringen.«
    Gwyneira schüttelte verständnislos den Kopf. »Wozu brauchen Sie da Hilfe? Schafe treiben kann ich allein. Und zwei Pferde haben wir auch. Wir brauchen nicht mal auf die Maultiere zu warten.«
    Gerald lachte dröhnend, und Lord Barrington fiel umgehend ein.
    »Sie wollen die Schafe über den Pass treiben, kleine Lady? Zu Pferde, wie ein amerikanischer Cowboy?« Dem Lord erschien das offenbar als der beste Witz, den er seit langem gehört hatte.
    Gwyneira verdrehte die Augen. »Ich selbst treibe die Schafe natürlich nicht«, bemerkte sie. »Das machen Cleo und die anderen Hunde, die Mr. Warden von meinem Vater gekauft hat. Sicher, die Jungtiere sind noch klein und nicht ausreichend geschult. Aber es sind ja auch nur dreißig Schafe. Das schafft Cleo ganz ohne Hilfe, wenn’s sein muss.«
    Die kleine Hündin hatte ihren Namen gehört und kam umgehend aus ihrer Ecke. Schwanzwedelnd und mit leuchtenden, vor Begeisterung und Hingabe strahlenden Augen verharrte sie vor ihrer Herrin. Gwyn streichelte sie und kündigte ihr an, dass die Langeweile auf dem Schiff heute noch ein Ende finden würde.
    »Gwyneira«, sagte Gerald verärgert, »ich habe diese Schafe und Hunde nicht gekauft und um die halbe Welt befördern lassen, damit sie hier in den nächsten Abgrund stürzen!« Er hasste es, wenn ein Mitglied seiner Familie sich lächerlich

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