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Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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machte. Und noch mehr brachte es ihn auf, wenn jemand seine Anweisungen in Frage stellte oder gar ignorierte! »Du kennst den Bridle Path nicht. Das ist ein tückischer und gefährlicher Weg! Kein Hund kann da allein Schafe hinübertreiben, noch kannst du da einfach so reiten. Für heute Nacht habe ich Pferche für die Schafe vorbereiten lassen. Morgen lasse ich die Pferde hinüberführen, und du nimmst ein Maultier.«
    Gwyneira warf herrisch den Kopf zurück. Sie hasste es, wenn man ihre Fähigkeiten und die ihrer Tiere unterschätzte.
    »Igraine geht über jeden Weg und ist trittsicherer als jedes Maultier«, versicherte sie mit fester Stimme. »Und Cleo hat noch nie ein Schaf verloren, das wird ihr auch jetzt nicht passieren. Warten Sie ab, heute Abend sind wir in Christchurch!«
    Die Männer lachten immer noch, aber Gwyneira war fest entschlossen. Wozu hatte sie den besten Hütehund von Powys, wenn nicht von ganz Wales? Und wozu züchtete man seit Jahrhunderten Cobs auf Geschick und Trittsicherheit? Gwyneira brannte darauf, es den Männern zu zeigen. Dies war eine neue Welt! Hier würde sie sich nicht auf die Rolle des wohlerzogenen kleinen Frauchens festlegen lassen, das den Befehlen der Männer widerspruchslos folgte!

    Helen fühlte sich ganz schwindelig, als sie endlich, gegen drei Uhr nachmittags, die Füße auf Neuseelands Boden setzte. Der schwankende Landungssteg erschien ihr dabei nicht viel sicherer als die Planken der Dublin , doch sie balancierte beherzt hinüber, und dann stand sie endlich auf festem Land! Sie war so erleichtert, dass sie am liebsten niedergekniet wäre und den Boden geküsst hätte, wie Mrs. O’Hara und ein paar andere Siedler es ungeniert taten. Helens Mädchen und die anderen Kinder vom Zwischendeck tanzten ausgelassen herum und waren nur mit Mühe zu bändigen, sodass sie gemeinsam mit den anderen Überlebenden der Reise ein Dankgebet sprechen konnten. Doch Daphne wirkte immer noch enttäuscht. Die wenigen Häuser, die die Bucht von Lyttelton säumten, entsprachen nicht ihrer Vorstellung von einer Stadt.
    Helen hatte den Transport des Schaukelstuhls schon auf dem Schiff in Auftrag gegeben. Jetzt schlenderte sie, ihre Reisetasche in der Hand und den Sonnenschirm über der Schulter, einen breiten Zufahrtsweg zu den ersten Häusern hinauf. Die Mädchen folgten ihr brav mit ihren Bündeln. Bis hierhin fand sie den Aufstieg zwar anstrengend, aber nicht gefährlich oder gar unzumutbar. Wenn es nicht schlimmer wurde, würde sie den Weg nach Christchurch schon meistern. Nun befanden sie sich allerdings erst einmal im Zentrum der Ansiedlung Lyttelton. Es gab einen Pub, einen Laden und ein wenig vertrauenswürdig wirkendes Hotel. Das kam aber ohnehin nur den Reichen zugute. Wer von den Zwischendeck-Passagieren nicht gleich nach Christchurch weiterwollte, konnte in primitiven Baracken und Zelten unterkommen. Viele Neusiedler nutzten diese Möglichkeit. Einige Auswanderer hatten Verwandte in Christchurch und mit diesen vereinbart, dass sie ihnen Lasttiere schickten, sobald die Dublin eingetroffen war.
    Helen hegte ebenfalls leise Hoffnungen, als sie die Maultiere des Transportunternehmens vor dem Pub warten sah. Zwar konnte Howard noch nichts von ihrer Ankunft wissen, aber dem Pfarrer von Christchurch, Reverend Baldwin, war mitgeteilt worden, dass die sechs Waisenmädchen mit der Dublin eintreffen würden. Vielleicht hatte er ja Vorkehrungen für ihre Weiterreise getroffen. Helen erkundigte sich bei den Maultiertreibern, aber diese hatten keine entsprechenden Anweisungen erhalten. Sie sollten zwar Waren für Reverend Baldwin in Empfang nehmen, und auch die Brewsters waren ihnen avisiert worden, die Mädchen aber hatte der Pfarrer nicht erwähnt.
    »Also, Kinder, uns bleibt nichts anderes übrig, als zu laufen«, ergab Helen sich schließlich in ihr Schicksal. »Und zwar am besten gleich, dann haben wir es hinter uns.«
    Die Zelte und Baracken, die zu nutzen ihre Alternative gewesen wäre, erschienen Helen nicht geheuer. Natürlich schliefen Männer und Frauen auch hier getrennt, aber es gab keine Türen, die man abschließen konnte, und sicher herrschte in Lyttelton ebenso Frauenmangel wie in Christchurch. Wer wusste, was den Männern einfiel, wenn sich ihnen hier sieben alleinstehende Frauen und Mädchen auf dem Silbertablett servierten?
    Helen brach also auf, gemeinsam mit etlichen Einwandererfamilien, die ebenfalls sofort nach Christchurch weiterwollten. Die O’Haras waren dabei, und

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