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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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Vorderstevendes Schiffes hing. So wurden in Verbrecherkreisen Verräter bestraft.
    Als ich jetzt bei ihm war und ihn hängen sah, gab er keinerlei Lebenszeichen mehr von sich. Ich hatte ihn zu spät entdeckt. Ich konnte nicht einmal das Seil abschneiden, an welchem der Arme hing, denn sonst wäre er ins Wasser gefallen und sein Leichnam für Untersuchungen verloren gewesen. Ich hoffte aber, einige Spuren zu entdecken, die mich auf die Fährte seiner Mörder bringen konnten, und holte vier Polizisten herbei, die ich in der Nähe auf ihrer nächtlichen Streife antraf.
     
    Ramessu nahm im Palast eine eingehende Untersuchung des Toten vor. Außer Schürfwunden und roten Flecken konnte er aber nichts feststellen.
    «Es müssen mehrere Täter gewesen sein, sodass es nur ein kurzes Handgemenge gab, ehe sie ihn fesselten und henkten. Andernfalls hätte er mehr Verletzungen davongetragen», stellte Ramessu in der offenbar allen Ärzten eigenen nüchternen Art fest.
    «Und ich hätte etwas gehört», fügte ich hinzu.
    «Das muss nicht sein», widersprach mir Ramessu. «Wer weiß, wie lange er schon so hing.»
    Ich erzählte ihm nichts von dem Stöhnen, das ich vernommen hatte, kurz bevor ich den Unglückseligen entdeckte. Ich wollte nicht, dass außer Nimuria jemand etwas von meinem außergewöhnlichen Gehör wusste.
    In der folgenden Nacht tat ich kaum ein Auge zu. Ich saß im Fenster meines Schlafzimmers, hatte wie immer die Beine angezogen und mit den Armen umklammert und sah nachdenklich hinaus in die dunkle Nacht. Wer waren diese Menschen, die mir seit so vielen Jahren Angst und Schrecken einjagten? Waren es Menschen, die mir meine Stellung bei Hofe und meine Nähe zu Pharao neideten und die mir durch all die Verbrechen, die in meiner Umgebung geschehen waren, zu verstehen geben wollten,dass ich mich zurückzuziehen hatte, um vielleicht einem von ihnen Platz zu machen?
    War es einer der vielen Beamten, deren Verbrechen ich aufgedeckt hatte, als ich noch die Steuereintreiber und die Landvermesser beaufsichtigt hatte? Das konnte ich mir nur schwer vorstellen, da mir Nimuria nie ein offizielles Amt gegeben oder mir einen Titel verliehen hatte, gerade um mich vor ihnen zu schützen. Dennoch, jeder ägyptische Beamte, der auch nur über ein bisschen Einfluss und Einblick verfügte, wusste, wer ich war und worin einst meine Aufgabe bestanden hatte.
    Oder waren es doch die Priester Amuns, die der königlichen Familie und mir nachstellten, um sich für die alte Schmach zu rächen, die ihnen Nimuria angetan hatte, als er sie vor mehr als zwanzig Jahren zwang, sich an den Kosten seines Tempelbaues in Ipet-sut zu beteiligen?
    Zwischen all diesen Gedanken beschlich mich immer wieder Angst, noch in dieser Nacht selbst Opfer eines Verbrechens zu werden. Ständig lauschte ich deswegen angestrengt in die Dunkelheit, damit mir kein noch so unauffälliges Geräusch entging, das mich warnen und so vielleicht mein Leben retten konnte. Das leise Klappern vertrockneter Palmwedel, die der Südwind vorsichtig aneinander schlug, das leise Scharren einer Schildkröte im Sand der Gartenwege oder der ferne Schrei eines Käuzchens ließen mich zusammenfahren, als stünde der schakalköpfige Anubis bereits vor mir. Ich hielt es dort, wo ich saß, nicht mehr aus. Ich ging zurück in mein Zimmer, trank hastig und in kurzer Folge vier Becher Wein und legte mich in mein Bett. Ich dachte an Ti, an ihre weichen Lippen, ihre wunderschönen Brüste und an ihre kleine Hakennase, über deren Rücken ich so gerne mit meinem Zeigefinger fuhr. Mit den schönsten Gedanken an meine Frau schlief ich endlich ein.
     
    Jetzt, da nach dem schrecklichen Ende des Balsamierers ohnehin alle Hoffnung verloren war, irgendetwas aufzudecken, wasmit dem plötzlichen Tod von Prinz Thutmosis zu tun haben könnte, offenbarte ich mich dem Thronfolger. Anfangs war er etwas verstört, ja sogar beleidigt, weil ich ihn so lange nicht von meinem geheimnisvollen Tun unterrichtet hatte. Dann zeigte er jedoch Verständnis und meinte: «Ich werde mich nicht mit solchen Dingen beschäftigen, wenn ich einmal Herrscher der Beiden Länder bin. Wenn wirklich Schreckliches passiert, wird sich einer der Wesire darum kümmern und mich am besten gar nicht damit belästigen.»
    Diese Bemerkung des Prinzen erschreckte mich sehr, und ich fragte mich, worin er einst seine Aufgabe als Pharao sehen würde, wenn nicht darin, Tag für Tag verantwortlich dafür zu sein, dass Maat, unsere göttliche Ordnung,

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