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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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und hören. Trotz meiner dreiundfünfzig Jahre raste ich durch die Straßen von Achet-Aton, so wie einst, als ich mit Ameni auszog, um gegen die Aufständischen des elenden Kusch zu kämpfen und sie niederzuringen. Ich erinnerte mich unserer halsbrecherischen Fahrten durch die Straßen und Gassen von Men-nefer und Waset, und damals wie heute riefen mir die wenigen Menschen, die schon so früh am Morgen auf den Beinen waren, das eine oder andere bittere Schimpfwort hinterher, wenn sie und ihre ebenso aufgeschreckten Hühner im allerletzten Augenblick vor meinem Wagen zur Seite sprangen. Mich störten ihre Beschimpfungen nicht. Ich musste vielmehr herzhaft lachen, weil ich mir überlegte, wie wutentbrannt ich zetern würde, würde man mit mir so umgehen. Ipu kannte mich nicht anders, und so trafen sich auf unserer Fahrt zum Hafen immer wieder die fröhlich strahlenden Augen zweier etwas in die Jahre gekommener Rüpel.
    Es war das erste Mal seit dem Tod Tis, dass in mir wieder Heiterkeit und Lebensfreude aufkeimte. Und ich war froh darüber, dass meine Tochter es gewesen war, die das Schweigen gebrochen hatte.
     
    So unangenehm mir die von Teje übertragene Aufgabe auch war, ich freute mich wie schon lange nicht mehr auf Ameni, auf mein altes Zuhause, auf Waset. Ich winkte den Fischern zu, die von ihrem morgendlichen Fang zurückkehrten, den Frauen, die am Ufer Wäsche wuschen, und den Kindern, die ihren Unterricht schwänzten und sich stattdessen im Schilf tummelten, um Entennesterauszunehmen. Ich dachte darüber nach, wie oft ich schon die Dörfer und Städte gesehen hatte, an denen wir vorüberfuhren, wie viele Menschen in ihnen seit meiner ersten Reise vor siebenunddreißig Jahren geboren und wie viele schon gestorben waren. Manches Dorf war in all den Jahren zu einer kleinen Stadt herangewachsen, manches wurde verlassen und war dem schleichenden Verfall und dem schnellen Vergessen preisgegeben. Wir hielten uns nirgends lange auf, nur in Achmim, der Heimatstadt meiner Eltern, blieben wir zwei Nächte, weil meine Vettern mich nicht losließen, ehe ich ihnen nicht alle Neuigkeiten der letzten fünf Jahre erzählt hatte. Dann ging die Fahrt weiter in südöstlicher Richtung, vorbei an Abidu bis Hut-Sechem, wo der Nil einen weiten Halbkreis beschreibt und sich dann nach Nordosten wendet, um später, zwischen Kaine und Gebtu in südwestliche Richtung zu fließen, ehe man nach wenigen Stunden spürt, bald Waset zu erreichen.
    Es waren immer dieselben auffälligen Merkmale: Eine uralte Akazie, deren dürre Äste weit in den Himmel ragten und deren Rinde so zerfurcht war, wie der Hals eines alten, ehrwürdigen Elefantenbullen. Der Blick auf die höchste Erhebung des Westgebirges, deren Spitze von einer bestimmten Stelle aus an eine gewaltige Pyramide erinnerte und so erklärte, weswegen die Herrscher Ägyptens seit Generationen in ihrem Inneren bestattet wurden. Sandbänke, auf welchen seit eh und je fette und scheinbar träge Krokodile herumlagen und dort auf unachtsame Beute lauerten, während ihnen sorglose Madenhacker lästiges Kleingetier aus der schroffen Haut pickten. Und schließlich die ersten Wahrzeichen der Stadt selbst: die bunt bemalten Tortürme der Tempel und ihre alles überragenden Fahnenmasten, die Zinnen der Paläste und die gewaltigen, weiß getünchten Mauern der altehrwürdigen Stadt. Dann hielt es die Reisenden nicht länger auf ihren schattigen Sitzplätzen. Sie traten an die Reling, umklammerten mit festem Griff das Geländer, geradeso als gelte es, einem überwältigenden Anblick standzuhalten. Jenäher sie ihrem Ziel kamen, umso unruhiger hielten sie Ausschau nach Angehörigen und Freunden, winkten und riefen, wenn sie einen der ihren erkannten oder auch nur zu erkennen glaubten.
    Mir ging es nicht anders, und ich war überglücklich, als ich trotz der jetzt herrschenden Mittagshitze meinen alten Freund Acha und Maja, meinen Verwalter, im Getümmel zahlreicher Diener erkannte. Während Acha und ich in einer Sänfte in meinen Palast getragen wurden, sorgten sich Maja und Ipu um mein Gepäck und all die anderen Angelegenheiten, die es noch im Hafen zu regeln galt. Mit großer Anteilnahme hörte mir der Schatzmeister zu, als ich ihm vom Tod meiner Frau berichtete, und einige Male war ich dabei so sehr den Tränen nahe, dass er meine Hände umfasste und sie zum Trost fest drückte.
    Allerdings konnte mein Freund Acha seine eigenen Neuigkeiten kaum noch zurückhalten. Sobald er das Gefühl hatte, dass

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