Im Land des Falkengottes. Echnaton
Ende des elften Regierungsjahres Echnatons und wenige Tage nach der Bestattung meiner Frau kam überraschend. Nicht, dass es Tejes erster Besuch gewesen wäre. Anders als Ameni, der einst gelobt hatte, Achet-Aton nie zu betreten, war sie schon mehrfach hierher gekommen, um Echnaton, Nofretete und die Kinder zu sehen. Diesmal aber war ihr Kommen nicht von langer Hand geplant, sondern ein Eilbote hatte sie kurzfristig angekündigt. Aber nicht ihrem Sohn und den Kindern galt ihr Besuch. Er galt nur mir.
Echnaton war erstaunt, seine Mutter so unverhofft wieder zu sehen, und seine Frage, was sie lange vor der vereinbarten Zeit nach Achet-Aton geführt hätte, beschied sie mit der knappen Antwort: «Ich hatte einfach nur Sehnsucht nach euch.»
Echnaton wusste, dass dies nicht alles war, denn dafür kannte er seine Mutter zu gut. Er hatte aber schon immer Achtung vor ihrer Verschlossenheit, und so schwieg er. Sie würde sich schon offenbaren, wenn ihr danach war.
Die Bitternis, in der sie lebte, war ihr anzusehen. Es waren nicht ihr Alter, nicht ihre fünfundfünfzig Jahre, die sie niederbeugten. Es waren Gram und Bitternis. Mehr denn je fielen mir die Falten um den hervortretenden Mund auf, die traurigen Augen, die unter halb verschlossenen Lidern ernst und misstrauisch hervorsahen. Es war, als senkte sie die Lider, damit man in ihren Augen nicht all die Traurigkeit, die sie mit sich trug, sehen konnte.
Teje hatte es verwunden, dass Amenophis ihre Tochter Sitamun zur Großen königlichen Gemahlin erhoben hatte, damit sie die Stelle der Mutter einnahm, wenn Teje in Achet-Aton weilte. Natürlich hatte es Ameni nicht allein aus diesem Grund getan, sondern weil er Freude daran hatte, mit einer jungen Frau an seiner Seite durch Waset zu ziehen, auch wenn es seine eigene Tochter war. Aber dass er jetzt beabsichtigte, sich aus Mitanni wieder eine junge Prinzessin kommen zu lassen, das konnte und wollte sie nicht hinnehmen.
Unter Tränen und mit der stockenden Stimme einer gebrochenen Frau berichtete mir Teje von dem Briefwechsel, der seit Monaten zwischen König Tuschratta von Mitanni und Nimuria geführt wurde. Die zwanzigjährige Königstochter Taduchepa habe sich Amenophis auserkoren, nur um sie kreisten jetzt all seine Gedanken.
Teje spitzte die Lippen und sagte mit einem spöttischen Unterton in ihrer Stimme: «Zu Nimuria, dem großen König, König von Ägypten, meinem Bruder, den ich liebe und der mich liebt, hat also gesprochen Tuschratta, der große König, König von Mitanni. Mir ist Wohlbefinden. Meinem Bruder sei Wohlbefinden! Deinen Häusern, deinen Frauen, deinen Kindern und allem, was dir gehört, sei in hohem Grade Wohlbefinden! Meinem Bruder, den ich liebe, werde ich meine Tochter zur Frau geben. Die Götter Schamas und Ischtar mögen vor ihr herziehen, und mein Bruder möge sich an dem Tage erfreuen, da sie zu ihm kommen. Schamas und Ischtar mögen meinem Brudergroßen Segen und Taduchepa schöne Freude geben! Und mein Bruder möge leben in Ewigkeit!»
Teje hielt sich beide Hände vors Gesicht, dann beugte sie sich nach vorn und begann fürchterlich zu weinen. Wie oft mag sie diesen Brief Tuschrattas gelesen haben, dass sie ihn auswendig heruntersagen konnte! Wie oft und unter wie viel Tränen mag sie sich gefragt haben, warum er das tat! Wäre es nicht meine Schwester gewesen, die da vor mir saß wie eine armselige Bittstellerin, die den Steuereintreiber anflehte, ihr nicht das letzte Rind vom Hof zu holen, ich hätte über Ameni und seine Heiratspläne schmunzeln, ja lachen mögen. Und obwohl ich genau wusste, weswegen sie zu mir gekommen war, fragte ich sie: «Und was erwartest du von mir?»
Sie richtete sich wieder auf, ließ langsam die Hände auf die Knie niedersinken und sagte mit tränenverschmiertem Gesicht: «Dass du mit ihm redest. Ich weiß, dass deine Trauer um Ti groß ist und dass du vielleicht für meine Sorgen wenig Verständnis aufbringen kannst. Aber du bist doch der Einzige, von dem er sich etwas sagen lässt! Bitte, Eje!»
Es war mir nicht recht. Es war mir ganz und gar nicht recht. Ich suchte nach Möglichkeiten, um mir diesen Gang zu ersparen. Konnte sie nicht ihren Sohn schicken? Oder es nicht einfach hinnehmen, dass er allein deswegen die Heirat mit Taduchepa wollte, um die Beziehungen zu Tuschratta zu pflegen?
«Könnte es nicht sein, dass er das nur tut, um das gute Verhältnis zu Tuschratta zu pflegen?», wiederholte ich laut meinen soeben gedachten Gedanken. Teje sah
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