Im Land des Falkengottes. Echnaton
meine Stallungen und Wirtschaftsgebäude, ruhte mich aus, badete mich und kleidete mich festlich.
Auf meiner Fahrt durch Waset und zur Fähre im Norden stellte ich mit Genugtuung fest, dass sich in der Stadt nicht viel geändert hatte. Es mag sein, dass es mir etwas ruhiger vorkam. Das mag daran gelegen haben, dass viele der einstigen Bewohner Wasets nach Achet-Aton übergesiedelt waren.
Als ich über den Fluss setzte, sah ich – wie schon unzählige Male zuvor – hinüber auf das westliche Gebirge, wo weit hinten im rot schimmernden Kessel steiler Felsen die eng aneinander geschmiegten Totentempel von Mentuhotep, Thutmosis und der Hatschepsut lagen. Ich bog nach Norden ab und fuhr am bescheidenen Tempel des doch so großen Amenophis Neb-ka-Re und dem weitaus größeren Tempel seines Sohnes Thutmosis Men-chepru-Re vorbei. Doch der Blick wurde von dort schnell abgelenkt und wie magisch auf die gewaltige Anlage von Nimurias Totentempel gezogen, wodurch der dahinter liegende Tempel von Thutmosis Aa-chepru-Re gar nicht mehr in Erscheinung trat.
Dahinter, in südwestlicher Richtung, ragte über all den prunkvollen Häusern der Millionen Jahre der Tempel des Lebens und des Genusses empor, der Palast der leuchtenden Sonne, den Amenophis in den langen Jahren seiner Herrschaft so prachtvoll errichtet hatte. Ich übergab jetzt Ipu die Zügel, denn ich wollte mir noch vor unserer Einfahrt in den Palastbezirk unbemerkt die Perücke und meinen Gürtel zurechtrücken. Dabei warf ich einen Blick hinauf auf die Terrasse, wo Ameni sonst so gerne zu stehen pflegte, um seine Gäste schon von weitem zu beobachten. Ich sah ihn nicht. Sicher würde er noch letzte Vorkehrungen treffen, bevor er mich empfing, denn eitel war auch er.
Ich konnte es nicht mehr erwarten, ihm gegenüberzustehen, ihn zu umarmen, um dann das Klopfen seiner großen Hände auf meinem Rücken zu spüren, Wange an Wange. Ich freute mich auf sein fröhliches Gesicht mit den unruhigen, mandelförmigen und braunen Augen, auf sein Lachen und natürlich auch auf seinen hervorragenden syrischen Wein.
Acha erwartete mich am Eingang zum Audienzsaal. Sein Gesicht war ernst, seine Blicke betreten. Ich wusste sofort, dass etwas nicht stimmte und fragte: «Was ist los? Was siehst du mich so an?»
«Nimuria geht es nicht gut. Ich wollte dir heute Morgen deine Heimkehr nicht verderben, deswegen schwieg ich darüber. Sei also gefasst darauf, nicht mehr den starken Stier anzutreffen.»
Mein Herz begann immer heftiger zu schlagen. Ich bekam Angst, denn ich wusste, dass Acha eher zu den Menschen gehörte, die versuchten, schlimme Dinge herunterzuspielen. Immer schneller wurden unsere Schritte durch den Audienzsaal, der mir jetzt unendlich lang vorkam. Es war nicht mehr der gesetzte, würdevolle Gang, den man in einem königlichen Palast zu gehen pflegte, es war mehr ein Wettlauf mit der Zeit. Während wir dahineilten, sagte ich nichts, stellte ich keine Fragen, und auch Acha schwieg, weil er ahnte, wie mir zumute war. Wir huschten durch den Thronsaal, erreichten von dort das Ankleidezimmer Amenis und hielten erst vor der Tür zu seinem Schlafgemach.
Amenis Leibdiener verneigte sich tief vor mir, während ich mich mühte, meinen gehetzten Atem wieder zu beruhigen. Ein letztes Mal zupfte ich unruhig an meiner Perücke, dann zog ich sie entnervt herunter, reichte sie Nimurias Diener und sagte zu ihm: «Was soll dieses Schauspiel? Öffne!»
Ich ging allein in das Schlafgemach Amenis, und lautlos schloss sich hinter mir die Tür.
«Was muss ich über dich hören? Du bist krank, und ich erfahre kein Wort davon!», versuchte ich einen gekünstelt heiteren Ton zu treffen, als ich auf sein Bett zuging.
«Wer sagt denn, dass ich krank bin? Eine kleine Schwäche darf ich mir in meinem Alter einmal erlauben!»
Jetzt war ich bei ihm, saß auf seinem Bett, und ohne mich um die zwei Ärzte zu kümmern, die daneben standen, umarmte ich ihn, drückte seinen schweren Kopf an meine Wange, und als der süßlich-herbe Duft des Öls, welches er immer benutzte, durch meine Nase strömte, wusste ich endgültig, dass ich bei ihm war. So verharrten wir beide lange Zeit, zahllose Gedankenjagten durch unsere Köpfe, Erinnerungen und die Angst vor dem Ende gleichermaßen, und nur allzu deutlich konnte ich hören, wie schwer ihm das Atmen fiel.
Dann schob er mich sachte von sich weg, sah mir in die feuchten Augen und sagte, selbst den Tränen nahe: «Ich hatte schon befürchtet, ich würde dich
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