Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
Vom Netzwerk:
Schweigen, das zwischen uns liegt, verantwortlich machst?»
    «Das weißt du nicht? Von Anfang an tust du so, als sei der Tod meiner Mutter allein deine Sache. Erst müssen wir uns von einem Boten sagen lassen, dass sie tot ist, dann fällt dir nicht ein Wort des Bedauerns oder des Trostes ein, als ich mit Nafteta vor meiner toten Mutter stand. Vielmehr hattest du nichts Besseres im Sinn, als mit Echnaton belanglose Gespräche zu beginnen, und zuletzt lässt du ihren Leichnam bei Nacht und Nebel aus dem Haus bringen, als müsstest du eine Verbrecherin verschwinden lassen.»
    «Vielleicht hast du Recht. Vielleicht hat meine Trauer um Timir den Blick für andere Dinge verstellt. Ich habe sie einfach zu sehr geliebt.»
    «Ach, hör damit auf, Vater!» Ihr Ton wurde jetzt scharf und zurückweisend. «Du hast immer nur gemacht, was dir wichtig war und was dir Spaß gemacht hat. Hast du jemals auf Mutter Rücksicht genommen? Du solltest einmal hören, was in den Palästen hinter vorgehaltener Hand von dir erzählt wird. Von Liebe ist da oft die Rede – aber nicht von der Liebe zu meiner Mutter!»
    Ich gab ihr keine Ohrfeige. Einen Wimpernschlag lang war ich fest entschlossen, es zu tun. Aber eine junge Frau mit siebzehn Jahren schlägt man nicht. Ihre Offenheit hatte mich überrascht und gleichzeitig entwaffnet. Wir starrten uns schweigend an, und keiner brachte ein Wort mehr heraus. Endlich erlöste uns der Offizier, der mit einem Streitwagen vorfuhr, um Mutnedjemet abzuholen.
    Selbst wenn sie mit allem, was sie sagte, Recht gehabt hätte, in diesem Ton hätte sie nicht mit mir reden dürfen. Ich war tief gekränkt und fühlte mich verlassener denn je.
    Nafteta kam wenige Tage später zu mir und wollte mit mir reden. Sie wollte schlichten, wollte, dass ich Verständnis für Mutnedjemets Verhalten aufbrachte. Sie sprach von der Liebe, die Aton von uns allen abforderte, von Vergeben und Verzeihen. Sie hatte gewiss mit allem Recht, was sie sagte. Ich sprach sehr höflich mit ihr und verlor kein böses Wort über meine jüngere Tochter, aber ich bat Nafteta, sich nicht in diesen Streit einzumischen. Das hätte Mutnedjemet allein mit mir auszumachen. Irgendwann würde ich mich mit ihr wieder vertragen. Irgendwann, aber nicht jetzt und weil andere es so wollten.
    In meiner Einsamkeit, für die ich mich mehr und mehr selbst verantwortlich fühlte, vergingen die siebzig Tage der Trauer nur langsam.
    Der Glaube Echnatons machte es hinfällig, dass wir Hinterbliebenen uns viele Gedanken über Grabbeigaben für die Verstorbenenmachten. Die Seelen der Toten traten bei Tage aus ihren Gräbern heraus, um in den Tempeln an den Opfern, die Pharao dem Aton brachte, teilzuhaben. So fiel der Trauerzug bescheiden aus. Die ganze Zeremonie wirkte unbeholfen, weil wir, die wir sie vollzogen, selbst hilflos waren in unserem Tun. Wenigstens waren jetzt einige Atonpriester zugegen, die mit Weihrauchpfannen dem Zug vorangingen, zahllose Klagefrauen und Musikanten begleiteten uns, und die Anwesenheit der Königsfamilie verlieh der Trauerfeier den einzigen würdevollen Glanz.
    Das war aber für Ti kein Trost, denn was hatte ihre Seele jetzt zu erwarten? Eine Erlösungsreligion war der Glaube Echnatons nicht. Das Weiterleben der Seelen, wie Echnaton es sich vorstellte, war ein auf Dauer ungelöster Zustand und kein endgültiger Friede in einer endgültigen, jenseitigen Welt. So fiel es auch mir schwer, irgendetwas Tröstendes zu finden, und der einzige Trost, den es für mich gab, war, dass sie wenigstens keine lange Zeit des Leidens durchstehen musste. Mehr aber auch nicht.
    Als der Schrein über dem Sarkophag verschlossen und damit die Totenmaske mit dem Abbild Tis meinen Blicken für immer entzogen wurde, wandte ich mich um, um die Finsternis des Grabes zu verlassen. Ein kurzer, aber heftiger Weinkrampf schüttelte mich, als mir der endgültige Verlust meiner Frau noch einmal jäh bewusst wurde. Ich hielt kurz inne und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht, dann trat ich hinaus, ließ den Eingang zumauern und versiegelte ihn. Vor dem Grab nahmen wir das bescheidene Totenmahl zu uns und stiegen dann schweigend hinab in das Tal, in dem Achet-Aton in all seiner Schönheit im Licht des einzigen Gottes glänzte.

NEUN
    Sie jammern um Re und klagen um den größten Gott,
    nachdem er an ihnen vorbeigegangen ist.
    Wenn er enteilt, umhüllt sie Finsternis,
    und ihre Höhlen werden über ihnen verschlossen.
     
    D er Besuch meiner Schwester Teje gegen

Weitere Kostenlose Bücher