Im Land des Falkengottes. Echnaton
alle Hände voll zu tun, und oftmals begaben sie sich selbst in höchste Gefahr, wenn sie einen der vermeintlich frommen Propheten vor aller Augen festnahmen und unter Steinwürfen der aufgebrachten Massen zum Verhör führten. Aus diesen Aufrührern war selbst unter der Folter nicht herauszubringen, woher sie kamen und wer sie geschickt hatte. Doch ich für meinen Teil war mir sicher, dass hinter all diesen Angriffen auf Echnaton niemand anderes steckte als die Priester des Amun, des Verborgenen. Das eigentlich Gefährliche an diesen Leuten aber war, dass dieser krankhafte Hass auf Pharao durch die vielen Menschen, die jetzt von überallher nach Waset kamen und welche diese Worte begierig in sich aufnahmen, nach der Bestattung Nimuriasins gesamte Land hinausgetragen werden würde, um dort noch mehr Herzen zu vergiften.
Teje und Sitamun, der Wesir, Acha und ich, alle um uns herum sahen, welch Unheil sich über die Beiden Länder legte, und es machte uns Angst. Doch keiner von uns wusste, wie wir es hätten abwenden können. Wir konnten nur noch auf die Einsicht Echnatons hoffen.
Fünf Tage vor der Beisetzung Nimurias ließ ich damit beginnen, große Teile der Grabausstattung in das Felsgrab im westlichen Gebirge zu bringen. Unter scharfer Bewachung der Leibgarde fuhren Schlitten, die von gewaltigen Stieren gezogen wurden, mit Möbeln aller Art, Figuren aus Stein und Holz, mit Krügen voll Bier, Wein und Getreide, mit Kisten voll Brot, Kleidern und Waffen durch eine unendlich lange Zeltstadt, die vom Palast der leuchtenden Sonne bis hinunter zum Tempel von Pharao Hatschepsut Maat-ka-Re entstanden war. Dort lebten, oder richtiger hausten die Tausenden von Menschen, die aus ganz Ägypten gekommen waren, um ihrem geliebten Herrscher die letzte Ehre zu erweisen. In manchen Zelten wurde geweint und wurden Klagelieder gesungen, in anderen wurde wie in einer Vorahnung von dem nahen Ende gesungen, gefeiert und geliebt. Es gab Augenblicke, da wollte ich den Befehl geben, diese Menschenmassen auseinander treiben und davonjagen zu lassen. Ein andermal hätte ich mich vor Kummer und Verzweiflung am liebsten zu ihnen gesellt, um alles Leid, vergangenes wie kommendes, mit ihnen in Bier und Wein zu ertränken.
Am letzten Tag der siebzigtägigen Trauer nahm im Morgengrauen der Leichenzug in den Höfen des Palastes Aufstellung. Die Soldaten der Leibgarde und die vollzählig versammelte Division des Amun bildeten vom Tor des Palastes bis zum Tempel der Millionen Jahre Nimurias, und von dort bis zum Totentempel von Pharao Hatschepsut, wo der Aufstieg in das westliche Gebirge beginnt, ein undurchdringliches Spalier. Zu beiden Seitentrug jeder zehnte Soldat der vorderen Reihe eine Kriegstrommel, alle übrigen waren mit Schwertern und Schilden ausgerüstet. Als sich der Zug in Bewegung setzte, begannen erst die achtunddreißig Trommler, die ihn anführten, langsam und gleichmäßig auf ihre Instrumente einzuschlagen. Dann setzten nach und nach all die Trommler ein, die den langen Weg säumten, bis sich ein ohrenbetäubender Lärm über das ganze Tal legte, der durch den Widerhall, der von den Wänden des Gebirges zurückkam, noch verstärkt wurde.
Den achtunddreißig Trommlern folgten ausnahmslos alle Priester Amuns, einhundertzwanzig an der Zahl. Ihnen schlossen sich die Beamten und die Dienerschaft des Palastes an. Es folgte der Stallmeister, der die Pferde Pharaos führte, welche den leeren Prunkwagen ihres Herrn hinter sich herzogen. Dann kamen die Wedelträger, die Sandalenträger und der Hüter der Kronen Seiner Majestät, der die Symbole der königlichen Macht in einem verschlossenen Kasten trug. Hinter den Kronen wurde Teje in ihrer Sänfte getragen, und ich als der Stellvertreter Echnatons ging neben ihr her, den Siegelring Pharaos an meiner rechten Hand. Uns folgten zwei weitere Sänften. In der ersten saß Sitamun und in der zweiten Kija, begleitet von Kelija und drei Hofdamen. Ihnen schlossen sich all die Großen Ägyptens an, der Wesir, der Schatzmeister, die Vorsteher der Paläste und der Tempel, die obersten Beamten und Schreiber. Zuletzt kamen wieder Soldaten mit den übrigen Grabbeigaben, welche sie an langen Stangen auf den Schultern trugen oder in Schlitten hinter sich herzogen.
Zu den Gesängen der Priester, dem nicht endenden Lärm der Kriegstrommeln und umweht von den nur langsam aufsteigenden Schwaden des verbrennenden Weihrauchs, bewegte sich der Zug zwischen dem Klagen und Wehgeschrei Tausender und
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