Im Land des Falkengottes. Echnaton
Abertausender Ägypter hindurch zum Tempel der Millionen Jahre Nimurias. Nur die Priester des Verborgenen, die königliche Familie und wenige der Fürsten des Landes traten durchdie riesigen Sitzfiguren hindurch in sein Inneres. Gesänge und Weihrauch begleiteten uns auch hier von Hof zu Hof, bis wir das Allerheiligste erreichten. Zwischen einem Meer von Blumen, unzähligen Weihrauchpfannen und vor einer der schönsten Steinfiguren, die ich je von Nimuria gesehen hatte und die ihn als jungen Krieger zeigte, ruhte der goldene Sarg von Osiris Amenophis.
Ein Totenpriester mit der Maske des Anubis umkreiste den Sarg mit einem goldenen Weihraucharm, während andere Gebete aus den Totenbüchern sprachen. Vierundzwanzig Nubier, so viele wie zu Lebzeiten Pharao in der Sänfte trugen, hoben den an langen Stangen befestigten Sarg empor und trugen ihn hinter den Priestern und gefolgt von uns hinaus und setzten ihn auf einen mächtigen, über und über vergoldeten Holzschlitten, vor welchen vier Stiere gespannt waren. Während wir durch die Höfe hinauszogen zu der vor Trauer noch immer unaufhörlich schreienden Menge, setzten wieder Chöre ein, und von den Tempelmauern erschallte der Klang unzähliger Posaunen und Trompeten. Als der Sarg den Tempelbezirk verließ, als die trauernden Soldaten und das trauernde Volk ihn im goldenen Glanz der gerade aufgegangenen Sonne sahen, schien aller Lärm der Welt über uns hereinzubrechen. Es setzte ein Weinen und ein Kreischen ein, wie ich es nur in der Schlacht am Atbara vernommen hatte. Doch dazwischen hörte ich es wieder: Das dumpfe Schlagen der Kriegstrommeln. Unbarmherzig gleichmäßig machte es sich mehr und mehr vernehmbar, aber jetzt waren es nicht nur die Kriegstrommeln, die immer lauter wurden. Viertausend Soldaten zählte die Division des Amun, und sie alle schlugen mit ihren Streitäxten oder ihren Schwertern gegen ihre Schilde, verdreifachten, ja verzehnfachten das Dröhnen der Trommeln.
So zogen wir bis zum Anstieg der Berge nördlich des Tempels von Osiris Hatschepsut durch das trauernde Volk von Ägypten, ließen den Palast der leuchtenden Sonne hinter uns, das südliche Ipet-sut, die Tempelstadt von Waset, den Tempel der MillionenJahre, ließen Waset selbst zurück, jene Stadt, die Amenophis so herrlich verändert und in weiten Teilen neu geschaffen hatte.
Auf halber Höhe des Anstiegs ließ ich den Zug noch einmal anhalten und befahl, den Sarg Nimurias vom Schlitten zu heben. Sie stellten ihn auf, sein Antlitz den Menschen und der Stadt zugewandt, damit er sie ein letztes Mal sah und sie ihm ein letztes Mal die Ehre erweisen konnten. Erst jetzt sah ich all die vielen Menschen, die nicht nur diesseits, sondern auch jenseits des Flusses standen und trauerten. Ohne dass es irgendeines Zeichens, irgendeines Befehls bedurft hätte, fielen außer den Soldaten alle schweigend nieder, legten sich vor ihrem toten Herrscher in den Staub, und nur der Klang der Trommeln, der Streitäxte und der Schwerter, die gegen die Schilde schlugen, kündete laut vom Abschied des Guten Gottes.
Wir ließen das Volk Pharaos zurück und zogen weiter nach Norden, bis uns der Weg zwischen steilen Felswänden hindurch nach Westen führte, wo er dann eine Kehrtwende nach Süden machte und wir schließlich in das westliche Seitental einbiegen mussten. Jetzt erinnerte ich mich wieder dieses Ortes, den ich zuletzt als junger Mann gemeinsam mit Ameni aufgesucht hatte. Er hatte mir die Stelle gezeigt, an welcher er sein Grab errichten ließ, und ganz in der Nähe hatte er auch mir einen Platz für meine letzte Ruhestätte zugewiesen.
Der Sarg wurde hier nicht mehr gezogen. Gemäß einem uralten Brauch trug ich ihn gemeinsam mit sieben der mächtigsten Männer Ägyptens auf den Schultern bis zum Eingang des Grabes.
Während unter der Anleitung des Wesirs die mitgeführten Grabbeigaben in die Finsternis des Berges getragen wurden, sprachen die Priester vor dem Sarg Gebete und verbrannten Weihrauch. Dann wurde der Sarg geöffnet. Eine Totenmaske aus reinem Gold, verziert mit Lapislazuli, Karneol und Glasflussblendete uns im gleißenden Licht der jetzt genau über uns stehenden Sonne. Es war das strahlende, das zufriedene Antlitz Amenis, in welches ich sah, mit seinen mandelförmigen Augen, den vollen Lippen und der ebenmäßigen Nase.
Ein Priester goss ein wohlriechendes Öl darüber und sprach: «Tausend Gefäße mit Duftöl, Räucherwerk, Salben und jederlei Kräutern, ja allen Arten von
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