Im Land des Falkengottes. Echnaton
Opfergaben, von denen die Götter leben, bringe man Dir dar!»
Jetzt trat Teje an den Sarg heran und legte auf das Haupt ihres Gatten einen geflochtenen Blumenkranz. Kaum dass dies geschehen war, berührten die Fingerspitzen ihrer rechten Hand flüchtig die Wangen der Totenmaske, und sie hauchte ihrem toten Gemahl ein letztes «Lebewohl» zu. Dann wandte sie sich mit Tränen in den Augen mir zu und verbarg ihr schmerzverzerrtes Gesicht an meiner Brust. Ich sah, wie auch Sitamun und nach ihr Kija an den Sarg traten, um sich ebenfalls mit Blumenkränzen zu verabschieden. Jetzt war es an mir, an dem Toten die letzten Vorbereitungen für die Ewigkeit zu vollziehen. Ich legte ein kleines Blumengebinde auf seine Brust und goss selbst aus einem goldenen Gefäß köstlich duftendes Öl über das Antlitz meines Freundes. Dann gab ich mit einem Handzeichen Befehl, den Sarg, dessen Deckel ebenfalls das Antlitz des Toten trug, wieder zu schließen und aufzurichten. Mit einem goldenen Dächsel berührte ich Augen, Ohren, Nase und Mund, um sie für das Leben im Jenseits symbolisch zu öffnen und sprach:
«Lebe von Neuem! Du bist wieder jung geworden. Du bist wieder jung, auf immer und ewig!»
Die Arbeiter der Totenstadt hoben den Sarg empor und trugen ihn in das Innere des Felsgrabes. Nur drei Priester, der Wesir und ich folgten ihnen. Über eine erste steile Treppe gelangten wir in einen leicht nach unten abfallenden Gang, über neun weitere Stufen in einen zweiten. Über dicke Holzbohlen überquerten wir einen tiefen Brunnenschacht. An dessen schwach erleuchteten Wänden sah ich Pharao, wie er gemeinsam mitseinem Vater Thutmosis vor Hathor und Nut stand. Dem Schacht schloss sich nach links eine undekorierte, nur weiß getünchte Halle an, deren Decke von zwei Säulen getragen wurde. Hier lag ein großer Teil der Grabbeigaben. Ich sah kleine Nachbildungen der königlichen Flotte, zwei in alle Einzelteile zerlegte Streitwagen, prächtig verzierte Sessel, Betten und Truhen. An der linken Vorderwand führte wieder eine Treppe in einen Gang und von dort sieben Stufen hinunter in eine Vorkammer. An der linken Wand sah ich Nimuria vor dem schakalköpfigen Anubis, und über ihnen breitete die Geiergöttin Nechbet ihre Flügel aus. Jetzt bogen wir nach rechts in die große Grabkammer ab. Sechs gleichmäßig im Raum verteilte Säulen trugen die tiefblau bemalte und mit unzähligen Sternen übersäte Decke.
Auch dieser Raum war mit Grabbeigaben gefüllt, nur in seiner Mitte war ein Gang freigelassen, denn zwischen den vorderen beiden Säulen führten vier Stufen ich einen tiefer liegenden Teil des Saales, in dessen Mitte der Sarkophag stand. Er bestand nicht mehr wie zu früheren Zeiten aus Quarzit, sondern aus rotem Granit, und sein Grundriss hatte die Form des heiligen Zeichens, das die Namen unserer Herrscher umgab. Zu drei Seiten dieses Raumes führten kleine Türöffnungen in Nebenräume, die für spätere Bestattungen der Königsfamilie und für Grabbeigaben angelegt waren. Die Wände der Grabkammer waren mit Abbildungen aus dem Amduat, dem Totenbuch, geschmückt. Stunde für Stunde war in zahlreichen Registern die Nachtfahrt des Re abgebildet, und in fein gemalten heiligen Zeichen wurde dem Betrachter jeder Augenblick genau erklärt.
Mit Hebevorrichtungen aus Holz und Seilen hievten die Arbeiter den Sarg vorsichtig über das Granitgrab, um ihn langsam darin zu versenken. Laut knirschend schob sich zuletzt der schwere Deckel des Sarkophags über Osiris Amenophis.
Die Arbeiter schafften die Seitenwände der vier vergoldeten Holzschreine herbei, die, einer nach dem anderen, aufgestellt wurden, bis der Sarkophag von vier heiligen Hüllen umgebenwar. An den Wänden des letzten, äußeren Schreins sah ich die vier Schutzgöttinnen des Toten. Mit ausgebreiteten Armen hielten Isis, Nephthys, Neith und Selket alles Böse, alles jenseitige Unheil von ihrem gottgleichen Schützling ab. In einer kleinen Vertiefung neben dem Kopfende des Schreins versenkten die Arbeiter einen vergoldeten Holzkasten mit den Kanopen, den Eingeweidekrügen. Auch ihn umgab ein kostbarer Schrein, dessen Verschluss mit einer dicken Kordel verschnürt wurde. In das weiche Wachs der Verschlüsse beider Schreine drückte ich mit meinem Ring das Siegel Echnatons, um sie für alle Ewigkeit zu verschließen. Dann verhüllten die Arbeiter beide Schreine mit einem großen, schwarzen Tuch.
«Deine Glieder bestehen fort, und Du verwest nicht, du verfaulst nicht und löst
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