Im Land des Falkengottes. Echnaton
Sohnes mehr leidet, sie oder ich! Natürlich sie, denn sie ist ja die Mutter. Ich nur der Vater, der an nichts als an die Thronfolge denkt.»
Es folgte unerträgliches Schweigen. Sollte ich wirklich beginnen, den trauernden Eltern von Sethi, dem widerlichen Balsamierer, und seiner noch widerlicheren Werkstatt zu berichten? Sollte ich ihnen sagen, was Merire über die geistigen Gaben des verstorbenen Prinzen anklingen ließ und dass ich mich darin bestätigt fühlte, da ich die persönlichen Sachen des Toten durchsucht hatte und ebenfalls nichts fand, was auf einen großen oder wenigstens anspruchsvollen Geist schließen ließ? Oh, wäre ich doch nie nach Men-nefer gefahren! Hätte doch Nimuria einen Polizeiobersten oder einen Armeegeneral geschickt! Sie könnten jetzt in dienstbeflissener Gefühllosigkeit ihren Bericht herunterschnarren und dann militärisch wegtreten. Aber ich? Bruder einer verzweifelten Mutter, Freund eines hilflosen Vaters, was konnte ich tun?
Der Prinz war es, der uns endlich mit seiner sanften, beruhigenden Stimme erlöste. «Ganz gleich, Mutter, was Eje Euch geschrieben hat oder was er Euch hier berichten wird: Es gibt nur eine Wahrheit. Es gibt nicht Pharaos Wahrheit, nicht die eines Priesters und auch nicht die einer Mutter. Es gibt nur sie selbst, die Wahrheit. Was wissen wir schon, was wahr ist? Ist es wahr, dass mein Großvater ein Kriegsheld war? Wer hat das Recht, darüber zu befinden, wer ein wahrhafter Kriegsheld ist, wer ein Feigling? Wer kann sagen, ob du eine wahrhaftere Mutter bist als er ein wahrhafter Vater ist?»
Nimuria erhob sich, warf den Papyrus achtlos neben seinen Stuhl und ging schweigend zum Fenster. Teje sah ihren Sohn mit so traurigen Augen an, wie ich sie vorher bei meiner Schwester nie gesehen hatte.
«Der Thronfolger vertritt demnach die Meinung, ich sollte alles auf sich beruhen lassen? Du glaubst also, Maat würde sichzwischen all diesen Verbrechen schon ihren Weg suchen, weil wir ohnehin nichts tun können?»
«Wenn du dich recht erinnerst, Ameni, habe ich dir schon vor meiner Abreise gesagt, dass dein Vorhaben zu einem mehr als unbefriedigenden Ergebnis führen könnte», ging ich dazwischen, weil ich nicht wollte, dass sich auch noch Vater und Sohn zerstritten.
«So höre nun, Teje», sagte ich, «du wolltest die Wahrheit erfahren, und so sage ich sie dir. Jetzt, vor Pharao, unseren Kindern und dem Wesir! Ihr müsst sie hören, denn sonst werdet ihr nie Frieden finden. Denn das, was ich sah, Prinz Amenophis, ist auch eine Wahrheit, selbst wenn sie noch so schmerzt.»
Und so begann ich mit meiner Geschichte, schilderte schonungslos jede Kleinigkeit, auch wenn ich spürte, dass Teje kurz davor war, zusammenzubrechen.
«Ich konnte nichts finden, was mich von einem gewaltsamen Tod Prinz Thutmosis’ überzeugt hätte», beendete ich meine lange Erzählung.
«Ptahmose», sagte Nimuria nun mit fester Stimme, «Ihr werdet diesen Brief vernichten. Es wäre schädlich, käme er in unbefugte Hände. Pharao hat keinen Zweifel: Der Thronfolger ist eines natürlichen Todes gestorben. Wer etwas anderes verbreitet, werde bestraft. Noch morgen wird mein Sohn im Grab meines Großvaters Amenophis beigesetzt.»
Während der Wesir nickte, schüttelte der Prinz ungläubig, doch von seinem Vater unbemerkt, den Kopf, denn er konnte nicht verstehen, dass Pharao einfach bestimmte, was Wahrheit zu sein hatte.
Ich habe später Amenophis nie danach gefragt, welches der wahre Grund für den Streit an jenem Abend war. Ich vermutete jedoch, dass es um den Lebenswandel Pharaos ging. Teje machte ihrem Mann in letzter Zeit häufiger den Vorwurf, er würde sich zu wenig um die Staatsgeschäfte kümmern, die ausländischen Freunde vernachlässigen und stattdessen ein ausschweifendesLeben führen. Seine zunehmende Leibesfülle würde dies schließlich belegen. Ameni reagierte hierauf stets sehr zornig. Immerhin habe er alles gerichtet und geordnet, und er müsse nicht jeden Tag in eigener Person die Steuern eintreiben, die Bauarbeiten beaufsichtigen und nach Mitanni Briefe schreiben. Damit hatte er gewiss nicht Unrecht, doch so wuchs die Gefahr, dass manches aus dem Ruder lief, was einst in harter Arbeit erreicht wurde. Teje wusste das, und ich war mir sicher, dass sich auch Amenophis dessen bewusst war. Doch ich befürchtete, dass ihm einfach die innere Kraft und der Wille, zum Tatendrang früherer Jahre zurückzukehren, fehlten. Ich glaube, Ameni war müde geworden.
Früh am
Weitere Kostenlose Bücher