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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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Auf einem kleinen Tisch lag das Siegel der Totenstadt. Es war Pharao vorbehalten, es in den feuchten Putz zu drücken, um damit den Raum für alle Ewigkeit zu verschließen. Schweigend und langsam, wie wir gekommen waren, verließen wir das Grab.
    Im gleißenden Licht der Sonne, das mich beim Verlassen derFinsternis blendete, erkannte ich erst allmählich die königliche Familie und den Sarg des Toten. Er war endgültig für die letzte Reise vorbereitet, und mit einem Kopfnicken befahl Pharao acht Arbeitern der Totenstadt, Thutmosis zu Grabe zu tragen.
    Nimuria ließ eine Teje zurück, die noch immer wie versteinert vor sich hin starrte, aber auch über ihr Gesicht, das Gesicht der immer Beherrschten, der Stolzen und Herablassenden rannen jetzt Tränen. Ich fürchtete, sie würde zusammenbrechen, deswegen ging ich zu ihr und nahm sie in meine Arme, und sie ließ es sich ohne Widerstand gefallen, ja sie sank mir regelrecht entgegen. Auch der Thronfolger weinte jetzt, und es war gut, dass Nafteta neben ihm stand, denn als ihre Hand die seine gefunden hatte, zog er meine Tochter an sich heran. Er brauchte jemanden, den er umarmen konnte. Es dauerte jedoch nicht lange, da sah sich Pharao nach mir und nach seinem Sohn um, und ein erneutes knappes Kopfnicken bedeutete uns, ihn in das Grab zu begleiten. Ein letztes Mal hob das Schreien der Klagefrauen an, das mehr und mehr verstummte, je tiefer wir in das unterirdische Grab eindrangen. Wir gingen sehr langsam, denn je weiter wir kamen, um so stickiger, um so heißer wurde es, und ich hörte, wie Nimuria kürzer und heftiger atmete.
    «Ich habe zwar vor dreißig Jahren als Thronfolger meinen Vater in das Grab begleitet, um mit ihm meinem Großvater das letzte Geleit zu geben, aber ich hatte keine Erinnerung mehr an diesen prächtigen Raum», sagte Nimuria, nachdem wir endlich die große Sargkammer erreicht hatten. Ich war über diese Bemerkung sehr erstaunt, hatte ich doch gedacht, Nimuria wäre jetzt ausschließlich von Trauer erfüllt.
    Die Arbeiter trugen den Sarg in den zweiten Nebenraum und errichteten um ihn herum den goldenen Schrein. Prinz Amenophis stellte die kleine Holzschatulle, die er mitgebracht hatte, daneben, und Nimuria verteilte zuletzt Amulette auf dem Boden: Ruderblätter und Kerzenleuchter, die das Lebenszeichen darstellten. Während anschließend die Arbeiter den Eingangzumauerten, zeigte Ameni auf die Wand neben sich. Ich verstand seine Geste und hielt meine Öllampe vor sein Gesicht. Vor ihm erschien im unteren Register die zwölfte Stunde des Amduat, des Buches über das, was in der Unterwelt ist.
    Ameni las mit ruhiger Stimme:
    «Der Anfang ist das Licht,
    das Ende ist die Urfinsternis.
    Der Lauf des Sonnengottes im Westen,
    die geheimnisvollen Absichten, die dieser Gott in ihm verwirklicht.
    Der erlesene Leitfaden, die geheimnisvolle Schrift der Unterwelt, die nicht gekannt wird von irgendeinem Menschen, außer vom Erlesenen.
    Gemacht ist dieses Bild in dieser Weise
    im Verborgenen der Unterwelt,
    unsichtbar, nicht wahrzunehmen!
    Wer diese geheimnisvollen Bilder kennt, ist eine wohl versorgte Seele.
    Immer geht sie aus und ein in der Unterwelt,
    immer spricht sie zu den Lebenden.
    Als wahr erprobt, Millionen Mal!»
     
    Zuletzt wurde seine Stimme leise und leiser, bis er in Gedanken versunken ganz verstummte. Dann wiederholte er nochmals ganz langsam: «Als wahr erprobt, Millionen Mal!»
    Wir standen Schulter an Schulter und sahen uns beide lange in die Augen. Ich sagte leise: «Irgendetwas wird sein, Ameni! Irgendetwas.»
    Das höfliche Räuspern eines der Vorarbeiter erinnerte Pharao an die letzte Pflicht. Er nahm das Siegel der Totenstadt und drückte es in den frischen Putz der beiden vermauerten Eingänge.
    Während er das Siegel zurückreichte, sah er erst mich an, dann seinen Sohn und wiederholte leise: «Ja. Irgendetwas wird sein.»Der Rückweg dauerte noch länger, denn es ging aufwärts, und die Hitze und die stickige Luft des Grabes machten Nimuria sehr zu schaffen. Vorsichtig führten ihn der Prinz und ich über die Bohlen des tiefen Schachtes, und ich erschrak fast zu Tode, als ich das Krachen der Bretter, welche die Arbeiter hinter sich in die Tiefe warfen, hörte.
    Als wir das Grab verließen, lag der Platz davor im Schatten des Berges. Es war Nachmittag geworden. Falken nützten die aufsteigende warme Luft und kreisten ohne einen Flügelschlag unaufhörlich weit über dem Gipfel des pyramidenförmigen Berges und schickten ab und an

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