Im Land des Falkengottes. Echnaton
mich kurz vor den Majestätenund verschwand in den Palast. Meine Dienerinnen und Diener bildeten ein langes Spalier, beginnend am Treppenansatz im Inneren des Palastes bis hinaus, wenige Schritte vor Pharao.
«Wie sieht er aus?», fragte mich Nafteta ganz aufgeregt, als ich ihr Zimmer betrat.
«Er wiegt noch immer zu viel, trägt nur das Nemes-Kopftuch mit Kobra und Geier und hat auch Krummstab und Geißel nicht bei sich.»
«Doch nicht Pharao, Vater», sagte Nafteta und machte dabei ein entsetzlich ernstes Gesicht.
«Ich weiß doch, mein Kind, wen du meinst! Er sieht aus, wie jeder Bräutigam in den Augen seiner Braut aussieht: einzigartig! Aber jetzt komm, du darfst ihn dir ansehen. Er wartet auf dich.»
Ich nahm sie an der rechten Hand und blieb noch einen kurzen Augenblick mit ihr im Raum stehen.
«Woran denkst du», fragte Nafteta mit leiser Stimme. Ich wollte es ihr nicht sagen, denn ich dachte an Merit und was ich dafür geben würde, könnte sie jetzt bei uns sein.
«Ich danke Aton, dass du ein glücklicher Mensch geworden bist, und ich bitte ihn darum, dass du es immer bleiben wirst», schwindelte ich. Nafteta drückte wie zum Dank meine Hand, dann gingen wir hinaus, zwischen Statuen unserer Götter und Nimurias hindurch zur großen Treppe. Alle Dienerinnen stimmten ein Lied an und streuten Blumenblüten, draußen wurde es still. Mit leicht gesenktem Kopf trat Nofretete vor die königliche Familie und verneigte sich ehrfurchtsvoll.
«Die Schöne ist gekommen», sagte Nimuria laut, und erklärte damit gleichzeitig den Namen meiner Tochter. Im Garten herrschte wieder vollkommene Stille.
«Die Schönheit eines Menschen ist nur etwas Äußerliches, Unbedeutendes, Majestät», sagte Nafteta mit schüchterner Stimme. «Was allein zählt, ist die Wahrhaftigkeit des Herzens. Sie ist die wahre Schönheit eines Menschen!»
«Höre ich da nicht meinen Sohn sprechen?», gab Nimuriadarauf zur Antwort. «Wer von euch beiden hat sich diesen weisen Satz ausgedacht?»
«Es ist einfach die Wahrheit, Vater», fügte der Prinz hinzu. «Die Erkenntnis dieser Wahrheit ist das Fundament unserer Liebe. Wir haben sie gemeinsam entdeckt.»
Jetzt wandte sich der Prinz meiner Tochter zu, legte seine Arme um sie und sagte: «Mein Vater hat natürlich Recht: Die Schöne ist gekommen. Einen treffenderen Namen hätte es für dich nicht geben können. Würde man dich nach der schönsten aller Blumen benennen, es wäre nur eine Beleidigung und Spott.»
Nofretete wurde zusehends verlegen, und ich wollte sie befreien, da kam mir Ameni zuvor.
«Genug, ihr beiden! Es gibt noch Hunderte andere Gäste, die darauf warten, euch zu begrüßen. Macht euch also auf den Weg. Währenddessen wird sich Eje vermutlich um das leibliche Wohl seiner Gäste kümmern – so hoffe ich doch.»
Der Hinweis Nimurias kam einem Befehl gleich. Nafteta begrüßte zuerst Teje und Sitamun, dann ging sie Arm in Arm mit Prinz Amenophis durch den Garten, und es gab niemanden, mit dem sie sich nicht auf das Freundlichste unterhalten hätten.
Es war ein ausgesprochen fröhlicher und ausgelassener Abend mit feierlichen Reden ebenso wie mit launischen, mit feinsten Speisen und den edelsten Weinen. Es wurde gesungen und getanzt, viel erzählt und viel gelacht. Nur diese eine Nacht noch musste Nafteta in meinem Hause bleiben.
Am folgenden Nachmittag, als die größte Hitze des Tages überstanden war, und Nofretete – wieder in prächtige Kleider gehüllt – aufgeregt wartete, fuhr Prinz Amenophis in Begleitung von wenig mehr als zwanzig Soldaten auf seinem zweispännigen Prunkwagen vor. Er trug einen jener neuartigen Schurze, die mehrfach gewickelt wurden, unendlich viele Querfalten hatten, am Rücken weit über die Nieren reichten und dadurch denBauch mehr betonten, als es unserem allgemeinen Schönheitsideal entsprach. Auf dem Kopf trug er ein einfaches Nemes-Kopftuch mit goldenen Längsstreifen. Je zwei Goldreife zierten seine Arme, und an der rechten Hand trug er einen Siegelring. Mehr Schmuck hielt er nicht für nötig.
Noch bevor der Prinz die Auffahrt zu unserer Terrasse erreicht hatte, stand ich mit Ti, Nafteta, der kleinen Mutnedjemet und allen meinen Bediensteten, angefangen vom einfachen Stallknecht bis hin zu meinem Verwalter, vor unserem Haus, um Nofretete zu verabschieden. Einige von ihnen, die Nafteta von Kindesbeinen an kannten, weinten oder übergaben ihr ein Geschenk: Einen kleinen heiligen Käfer aus Ton, auf dessen Unterseite
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