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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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Dinge so darstellt, wie sie sind, dann ist er ehrlich und dient nur der Wahrheit. Ich möchte diesen Mann so bald wie möglich kennen lernen!»
     
    Es war nicht nur Nebamun, der wenige Tage nach dem Besuch dieses Grabes in den Palast des Prinzen kam, sondern auch der Bildhauer Thutmosis.
    Thutmosis war über viele Jahre hinweg der begehrteste Bildhauer Oberägyptens, vielleicht sogar der Beiden Länder. Seit der Zeit, als ich von ihm eine Steinfigur Pharaos anfertigen ließ, wurde er vom Hof mit Aufträgen überhäuft. Ameni hatte sich nach und nach an den Werken Thutmosis’ sattgesehen, sodass es etwas ruhiger um ihn wurde. Thutmosis, der etwas älter als fünfzig Jahre war, nutzte jetzt die Zeit, um im Verborgenen Dinge zu versuchen, an die bis vor kurzem noch niemand gedacht hätte. Er fertigte Köpfe aus Holz, Sandstein und Alabaster nicht mehr nach den alten ägyptischen Regeln der Steinmetzkunst, sondern er ging mehr und mehr dazu über, die Menschen nach ihrem wirklichen Äußeren darzustellen. Er hatte es aber nie gewagt, seinem Herrscher auch nur eines dieser Kunstwerke zu zeigen. Ich besuchte ab und zu Thutmosis, weil er seit dem Tod seiner zweiten Frau allein lebte und sich freute, wenn ihm jemand bei einem Krug Wein Gesellschaft leistete. Jetzt, da ich um die Neugier des Prinzen selbst in diesen Dingen wusste, rief ich auch Thutmosis in den Palast des Prinzen.
    Er trug einen sehr einfachen, faltenlosen Schurz und eine ebenso einfache Perücke, wie sie in Waset niemand von Stand mehr benützte. Er war für sein Alter auffallend schlank, ja geradezu dürr, und wenn er sprach, ragten unter den schmalen, aber vollen Lippen große weiße Zähne hervor. Seine Sprache war bedächtig und seine Worte stets wohl gewählt. Er liebte Musik über alles und beschäftigte deswegen ständig zwei bis drei Musiker, die von morgens bis abends spielen mussten. Das Besondere aber war, dass er nicht nur ägyptische Musik schätzte, sondernes gab keinen, der syrische und nubische Musik so gut kannte wie er. Und man erzählte sich, dass es weit und breit keinen so ausgezeichneten Harfner gab wie Thutmosis. Ich kannte nur niemanden, der ihn selbst einmal gehört hätte, da er fast immer nur für sich allein spielte.
    Als er kam, trug er eine Holzschachtel mit sich. Sie war weniger als eine Elle hoch, und ihre Seiten waren nicht breiter als eine Handspanne. Er begrüßte den Prinzen und Nafteta mit der Eleganz, wie sie Höflingen seines Alters zu Eigen ist: vollendet und mit ausgesuchten, aber nicht schmeichlerischen Worten.
    «Eure Weisheit und Weitsicht werden überall gerühmt, mein Prinz. Dass da noch Platz ist für einen alten Künstler wie mich, von dem niemand mehr etwas wissen will, ehrt mich umso mehr. Die Schönheit Eurer Gemahlin wird ebenso gerühmt. Doch jetzt, da ich sie sehe, muss alles Lob verstummen. Denn, sei es auch noch so vollkommen, es wird ihrer wahren Schönheit nicht gerecht!»
    Dann verneigte er sich so tief er konnte und stellte die hölzerne Schachtel neben sich auf den Boden.
    «Obwohl Du schon lange zurückgezogen lebst, hast Du die süßen Töne der Paläste nicht verlernt, Thutmosis. Wir vernehmen es gerne. Es wurde mir viel über Dich berichtet, und ich habe schon unzählige Deiner Werke gesehen und bewundert. Eje erzählte mir, Dein Schaffen hätte einen Wandel erfahren, der jedoch den meisten Augen bislang verborgen blieb. Gibt es einen Grund dafür?»
    «Seit zweitausend Jahren formen und meißeln unsere Künstler Abbilder der Herrscher und ihrer Untertanen nach strengen und unveränderbaren Gesetzen. Die Länge der Arme und der Beine müssen in einem genauen Verhältnis zur Körpergröße stehen. Der Blick der Augen ist ebenso vorgegeben wie die Stellung der Mundwinkel und der Beine. Und der Körper Pharaos kennt kein Alter. Er ist beim Herrscher, dem Osiris bereits ins Auge blickt, ebenso zu formen wie beim jugendlichen Horus. Es gabnur einmal eine Zeitspanne in unserem Land, da durften die Künstler zumindest das Gesicht Pharaos nach dessen wahrem Ebenbild formen. Dies war unter Sesostris und Amenemhet. Euer Vater, er lebe, sei heil und gesund, würde mich dafür wahrscheinlich in die Steinbrüche verbannen.»
    Jetzt schwieg Thutmosis.
    «Und welche Schlüsse hast Du für Dich daraus gezogen?», fragte jetzt Nofretete und lächelte ihr Gegenüber freundlich an.
    «Erlaubt mir die Vermessenheit, Prinzessin: Mein Vermögen erlaubt es mir, ein zurückgezogenes, wenn auch bescheidenes Leben zu

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