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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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wird, wie Du es tust?»
    «Das ist wahr mein Prinz. Doch habt Ihr nicht auch gespürt, dass die Bilder dadurch viel lebendiger werden und echter – wie soll ich sagen? Ja: wahrhaftiger wirken!»
    Da war es wieder, dieses Wort: wahrhaftig. Mir war, als würde der Thronfolger Menschen, die wie er auf der Suche nach Wahrheit, Wahrhaftigkeit waren, geradezu magisch anziehen.
    «Weiß man in der Totenstadt, dass Du mit Deiner Kunst von den alten Regeln, den strengen Gesetzen der Grabgestaltung abweichst?»
    Nebamun sah kurz verlegen zu Boden, dann blickte er nach oben und sagte mit klarer und aufrichtiger Stimme: «Mein Prinz, unsere eigenen Gräber und auch die vieler Beamter werden nur noch so gestaltet, wie Ihr es im Grab des Nacht gesehen habt. Und es gibt noch ganz andere Dinge!»
    Die Augen des Malers wurden jetzt groß und leuchteten vor Aufregung und Freude: «In einem Grab werden sogar menschliche Körper von vorn gezeigt! Ja, mein Prinz, vollkommen von vorn! Man sieht beide Augen, den Mund, die Brust – einfach alles von vorn. Und man sieht dort auch alle zehn Zehen an den Füßen und alle Finger!»
    Der Prinz sah erst mich kurz an, nickte mir zu und wandte sich dann wieder dem Maler zu: «Nebamun! Ich wünsche, dass Du und Deine Familie die Totenstadt verlasst und nach Waset zieht. Ich werde Dir hier ein Haus, das Deinen Ansprüchen gewiss gerecht werden wird, zur Verfügung stellen. Eje wird hierfür alles Erforderliche in die Wege leiten.»
    Der Wunsch des Prinzen war nichts anderes als der Befehl an Nebamun, ab sofort und jederzeit dem Thronfolger zur Verfügung zu stehen. Es war nun an mir, Pharao und den Vorgesetzten Nebamuns in der Totenstadt von der Absicht des Prinzen in Kenntnis zu setzen und für den Maler und dessen Familie eine Unterkunft zu beschaffen.
    Es war dies erst der Anfang einer Reihe von Bekanntschaften, die Amenophis mit den Bildhauern, Malern und Architekten unseres Landes machte. Der Prinz schien ein untrügliches Gespür dafür zu besitzen, welcher von ihnen wirklich neue Wege beschritt oder mit ihm zu beschreiten bereit war. Er erforschte ihre Gedanken bis auf den Grund, weil er wissen wollte, warum sie den alten, ewig gerade verlaufenden Weg verließen und nach Neuem, ja Unerhörtem suchten. Aber er ließ sie alle vorerst in ihrem Tun gewähren, ohne ihnen Aufträge zu erteilen.
    «Damit müsst Ihr Euch noch gedulden», sagte er immer wieder am Ende langer Gespräche, «bis auch ich die Doppelkronetrage. Denn Ihr werdet erleben, dass ein fürchterlicher Aufschrei durch die Beiden Länder gehen wird, wenn man eines Tages unsere neue Schöpfung sehen wird. Dazu fehlt uns jetzt noch der Rückhalt, die Macht. Deswegen arbeitet noch im Verborgenen, aber unterrichtet mich stets über alles, was Ihr tut!»
     
    Die Zeit der großen Hitze war gekommen. Der Pegel des Flusses sank mehr und mehr, die Dürre legte sich über das Land wie eine unsichtbare Plage, ein Fluch, der Jahr für Jahr das Land und seine Menschen heimsucht. Es musste jedoch niemand um sein Leben fürchten, da die Getreidesilos nach der letzten Ernte bis zum Bersten gefüllt waren.
    Pharao und die Großen des Landes bereiteten sich auf die Abreise in die Oase Fajum vor. Die königliche Flotte wurde in den letzten Wochen in der Werft nördlich von Waset überholt, und alle Schiffe erstrahlten wieder in neuem Glanz, allen voran das Schiff Nimurias mit dem Namen «Erschienen in Wahrheit». Der vergoldete Rumpf des Schiffes erstrahlte wie am ersten Tag. Der Bugsteven, eine nach innen zeigende Papyrusblüte und die Lotosblüte des Heckstevens waren ebenso neu gestrichen wie das zweistöckige Bootshaus. Es erstrahlte in der Lieblingsfarbe Pharaos: in kräftigem Lapislazuliblau. Die königliche Barke war schon über zwanzig Jahre alt, aber sie hatte nichts von ihrem Glanz verloren und war mit ihren neunzig Ellen noch immer das längste Schiff, das je gebaut wurde.
    Ti und ich waren bei Prinz Amenophis und Nofretete zu Gast. Wir saßen auf der Dachterrasse, von welcher man auf Waset, auf den Fluss, das gegenüberliegende Westgebirge, die Totentempel und Nimurias Palast blicken konnte.
    «Nie werde ich den Tag vergessen, als ich mit Nimuria zum ersten Mal auf dieser Terrasse stand», sagte ich zu Ti, als sie neben mir an der Brüstung stand und ihren Arm liebevoll um meine Hüfte legte.
    «Ameni war von dem Anblick so begeistert, dass er trotz derMittagshitze auf der Stelle seine Mutter, die gerechtfertigte Mutemwia, meine Mutter

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