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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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und Teje auf die Terrasse holen ließ. Ich glaube, die Frauen haben damals befürchtet, etwas ganz Schreckliches sei geschehen. Wie viele Stunden mögen wir hier verbracht haben, Abend für Abend, Nacht für Nacht?»
    «Sicher hast du hier auch viele Dinge erfahren, die sehr schön waren für dich», sagte Nafteta, die jetzt mit Amenophis neben uns getreten war.
    «Gewiss, mein Kind. Aber auch unschöne Dinge.»
    «Sollen wir ihnen etwas Schönes sagen?», fragte meine Tochter den Prinz und sah ihn mit großen, strahlenden Augen an, wofür sie von ihm einen innigen Kuss bekam.
    «Sollen wir ihnen etwas Schönes sagen?», gab der Prinz die Frage lächelnd zurück und küsste sie nochmals.
    «Und wer sagt es ihnen? Du oder ich?»
    «Sag du es ihnen. Es sind deine Eltern.»
    «Ich erwarte ein Kind», sagte Nafteta mit Tränen in den Augen und umarmte Ti so liebevoll und herzlich, als wäre sie ihre wirkliche Mutter gewesen. Derweil nahm ich Amenophis in die Arme und klopfte ihm mit beiden Armen auf den Rücken.
    «Ich freue mich für euch», sagte ich mit belegter Stimme und wusste wirklich nicht, was ich sagen sollte.
    Dann wandte sich Nofretete mir zu und strahlte mich an: «Du wirst schneller Großvater, als du dachtest. Ist es nicht herrlich? Du wirst Großvater!»
    Nafteta küsste mich auf beide Wangen, während sie mich umarmte und drückte.
    «Deine vierjährige Schwester wird Tante und meine Schwester wird Großmutter! Es beruhigt mich, dass auch der Gute Gott, er lebe, sei heil und gesund, Großvater wird», sagte ich zu Amenophis.
    «Sie wissen es noch gar nicht. Ihr seid die Ersten, die es erfahren haben», setzte der Prinz nach, und er schien zu spüren, dass sie damit vielleicht einen Fehler begangen hatten.
    «Wir werden es für uns behalten, bis ihr es ihnen gesagt habt», beruhigte ich die beiden, denn es hätte sich wahrlich gehört, dass man es Ameni und Teje zuerst mitteilte. Dieses kleine Ungeschick nahm jedoch keinen Einfluss auf unsere fröhliche Stimmung. Wir aßen, tranken und scherzten an diesem Abend bis weit nach Sonnenuntergang.
    «Geh ruhig zu Bett», sagte ich zu Ti, als wir zu Hause angelangt waren. «Ich will noch ein wenig aufbleiben und die Nacht genießen.»
    Ti war mir deswegen nicht böse. Sie wusste, dass ich vor allem spätabends gerne in meinem Garten saß, viel an Merit dachte und niemanden um mich haben wollte. Ich küsste sie zum Abschied, nahm mir einen großen Becher Wein und ging hinaus.
    Ich ging in meinen Garten und geradewegs zu einer Steinbank, die unter einem Granatapfelbaum stand, und setzte mich. Es war Vollmond. Chons’ glänzende Scheibe stand über den Wipfeln der Palmen, und sein Licht verlieh ihren Blättern silbrig glänzende Ränder und tauchte unseren Palast in ein kaltes, silbrig blaues Licht. Eine Nachtigall erhob wenige Ellen von mir entfernt ihre Stimme und begann zu singen. Erst zaghaft und schüchtern, als müsste sie erst ihre Stimme suchen. Dann hob sie an zum herrlichsten Gesang, den ein Vogel anstimmen kann.
    Vor zwanzig Jahren saß ich mit Merit auf dieser Steinbank, und sie sagte mir, dass sie ein Kind erwartete. Ich hatte Merit in all den Jahren nie vergessen, sie war in meiner Erinnerung so lebendig geblieben, als hätte ich sie gestern noch gesehen. Ihre Stimme war mir ebenso gegenwärtig wie der Duft ihrer Haut, ihrer Haare und der Geschmack ihrer Zunge. Ich brauchte nur die Augen zu schließen, und sie stand vor mir, als hätte es die neunzehn Jahre seit ihrem Tod gar nicht gegeben. Und jetzt erwartete meine kleine Nafteta ein Kind! Ich sah hinauf zu der Dachterrasse, wo Nafteta zur Welt kam, wo das Leben meinerMerit geendet hatte und von wo aus auch ich mein Leben beenden wollte. Ich sah auf jene Terrasse, und Träne für Träne lief über mein Gesicht. Aber ich weinte nicht nur, weil ich mich an Merit erinnerte, sondern weil ich um Nofretete fürchtete, fürchtete, dass ich auch sie verlieren könnte.
    Ich legte mich auf die Steinbank nieder und verfolgte den Lauf des Mondes. Ich starrte hinauf zu Chons und suchte, ja flehte nach einer Antwort auf die so quälende Frage, warum ich Merit verlieren musste. Wieder und wieder erinnerte ich mich des Augenblicks, da ich sie zum ersten Mal sah. Es war für mich ein Augenblick so vollkommenen Glücks, als sie wie eine junge Göttin aus dem Palast ihres Vaters trat und mich ansprach. Ich erinnerte mich der Tage, als ich in Babylon krank daniederlag und sie neben mir saß, als ich erwachte. Ich sah

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