Im Land des Falkengottes. Echnaton
Abwesenheit alle Amtsgewalt auf den Thronfolger.
Die gesamte königliche Flotte lag schon unter vollen Segeln auf dem Nil, nur das Schiff Pharaos, «Erschienen in Wahrheit», lag an der Hafenmauer. Langsam und würdevoll, wie es nur Ameni und Teje zu tun wussten, betrat das Herrscherpaar die goldene Barke. Tausende Fanfaren und Tausende Trommeln befahlen den Menschen mit ohrenbetäubendem Lärm, sich zu Boden zu werfen. Und mit Ausnahme der Prinzessin Sitamun, des Prinzen und seiner Gemahlin taten alle, wie ihnen befohlen wurde. Erst als Nimuria und Teje am Heck des Schiffes auf ihren Thronen saßen, erst jetzt verstummten Trommeln und Fanfaren,und wir durften uns wieder erheben. Amenophis stand auf, breitete ein wenig die Arme aus und verabschiedete sich so für die nächsten Monate von Waset. Unter dem Rufen und Schreien der winkenden Menschen legte die königliche Barke ab, und wie immer zeigten die Ruderer, welche Kraft in ihren Armen steckte. Wie ein Adler, der dicht über der Wasseroberfläche dahingleitet, um jederzeit nach seiner Beute greifen zu können, so glitt das Schiff Pharaos durch das spiegelglatte Wasser des Hafens hinaus auf den Nil, bis es endgültig unseren Blicken entschwunden war. Das Volk winkte und rief, bis keines der Schiffe mehr zu sehen war. Dann gingen sie still und in sich gekehrt nach Hause zurück, denn jeder hier in Waset war traurig, wenn der Gute Gott die Stadt verließ – traurig und ängstlich wie ein Kind, wenn es der Vater für längere Zeit allein zurücklässt.
VIER
Die Königstochter, süß an Liebe,
eine Jungfrau, dergleichen man nie gesehen hat.
I ch hatte auf ein wenig Ruhe gehofft. Hatte gehofft, mich für einige Tage in meinen Palast zurückziehen zu können. Ich wollte Zeit haben, um mich mehr als sonst mit Ti und Mutnedjemet zu beschäftigen. Ich wollte meinen Garten genießen, ich wollte mich um meine Pferde und meine Ländereien kümmern. Um ehrlich zu sein: Ich wollte für ein paar Tage niemanden sehen außer meiner Frau und meiner kleinen Tochter. Doch es sollte mir einfach nicht vergönnt sein. Ich hätte freilich Prinz Amenophis in aller Form darum bitten können, meine Dienste vorübergehend nicht in Anspruch zu nehmen, aber er gab mir nicht einmal die Gelegenheit, diese Bitte auszusprechen.
Die Mastspitze des letzten Schiffes der königlichen Flotte war noch nicht hinter den Mauern und Palmen der südlichen Hauptstadt verschwunden, und die Menschen hatten noch nicht aufgehört zu rufen und zu winken, da bat der Prinz mich und Ti, mit ihm in den Palast zu kommen. Es war früher Nachmittag, und die Hitze war nahezu unerträglich. Wie gerne wäre ich in meinen Garten zurückgekehrt, um mich im Schatten meiner geliebten Palme eine Stunde auszuruhen!
«Ja», bekräftigte Nafteta die Bitte des Prinzen, und ich sah an ihren Augen, dass sie fest mit unserem Besuch rechnete.
«Ich möchte euch die Zimmer zeigen, die ich für unser Kind eingerichtet habe. Ihr könnt nicht nein sagen.»
Ti und ich sahen uns erstaunt an, dann sagte Ti: «Ist es nicht ein wenig zeitig, schon jetzt die Kinderzimmer einzurichten?»
«Ich konnte es einfach nicht erwarten. Und das Kind wird kommen – so oder so!»
Prinz Amenophis und Nafteta spürten wohl, dass ich ein wenig Ruhe brauchte, denn sie boten mir im Palastgarten einen Liegestuhl an, und weil sie sich über die Ernährung neu geborener Kinder unterhielten, stellte ich mich schlafend. Sie zeigten sich rücksichtsvoll und ließen mich allein zurück. Ich fiel sogleich in einen tiefen Schlaf, aus dem man mich erst kurz vor Sonnenuntergang wieder weckte.
Nafteta hatte für alles gesorgt: Ich konnte ein Bad nehmen, wurde massiert und mit duftenden Ölen eingerieben. Der Leibdiener des Prinzen rasierte mich, und mit frischen Kleidern aus der königlichen Wäschekammer ausgestattet, erschien ich ausgeruht und in bester Laune auf der Dachterrasse des Palastes, wo man mich schon erwartet hatte. Aper-el und Tutu, der Leibarzt des Prinzen, waren ebenfalls eingeladen.
Nicht nur Pharaos Küche, auch die Küche des Thronfolgers verwöhnte den Hausherren und seine Gäste mit feinsten Speisen: Erst gab es mit Kürbiskernen gefüllte Enten und gebratene, hauchdünn geschnittene Gänsebrust. Danach servierten die Diener frische Nilmuscheln und Stücke vom gebratenem Nilbarsch. Dazu reichten sie Oliven, Stücke von gekochtem Lauch mit einer unerhört scharfen Tunke und frisches Fladenbrot. Es gab den herrlichsten Wein, der in
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