Im Land des Falkengottes. Echnaton
Niemals!»
Amenophis sah mich lange an. Seine Augen wurden dabei immer kleiner, er legte seine Stirn in Falten und biss sich auf die wulstige Unterlippe. Dann platzte es aus ihm heraus.
«Ich habe den Norden und seine Hauptstadt gesehen. Ich kenne On und das Heiligtum des Re. Im Übrigen lebte ich immer nur hier in Waset. Jetzt will ich den Süden kennen lernen. Ich will mit Euch nach Nubien ziehen, und ich werde dort eine Stadt bauen. Eine Stadt, so herrlich wie Waset, und Ihr werdet sehen, auch dort wird man zu Amun und Ptah, zu Aton und Hathor beten. Vor allem aber will ich dort Aton ein Heiligtum errichten.»
Ich fühlte, wie Merimes auf der einen Seite auflebte, weil er spürte, dass sich ein Herrscher Ägyptens nicht nur für das Gold des elenden Kusch interessierte, für seine Edelsteine und sein Elfenbein, sondern für das ganze Land und seine Menschen.
«Wisst Ihr, worauf Ihr Euch einlasst, Majestät?», fragte Merimes, aber es war weniger eine Frage, sondern ich hörte mehr die Aufforderung heraus, diesen soeben geäußerten Wunsch nochmals zu bestätigen.
Amenophis Waen-Re tat ihm den Gefallen: «O ja, Merimes. Ich weiß es. Noch morgen werde ich mit meinem Vater über mein Vorhaben sprechen. In drei Monaten werde ich bei Euch auf der Elefanteninsel sein und dann mit Euch nach Süden ziehen, bis ich einen geeigneten Platz gefunden habe, um dort eine Stadt zu bauen!»
Nimuria war anfangs außer sich vor Empörung. Er warf seinem Sohn das Fehlen jeglicher Verantwortung für sein Land vor und dass er sich von der Last, die das Herrschen mit sich brachte, drücken wollte.
«Was glaubst du, warum ich Merimes walten lasse, wie er es für richtig hält? Das tue ich, weil der Platz Pharaos hier ist, in Waset oder in Men-nefer, und nicht irgendwo zwischen Abu und Napata. Ich habe erlebt, was ein Krieg gegen das elende Kusch bedeutet. Da musst du nicht dein Leben und das Leben deiner Frau und das deiner Tochter aufs Spiel setzen, nur um in Nubien eine Stadt nach ägyptischem Vorbild zu errichten.»
Es war meine Schwester Teje, die einen Bruch zwischen Vater und Sohn verhinderte, noch ehe ihr Sohn zur Gegenrede ansetzen konnte.
«Ich glaube nicht, dass sich Amenophis vor Verantwortung drücken will. Er hat oft genug das Gegenteil bewiesen. Ich habe Verständnis für seinen Wunsch, ein eigenes Leben führen zu wollen, eine eigene Regentschaft nach seinen Plänen und unter Voraussetzungen, die es hier nicht gibt.»
An ihren Sohn gewandt sagte sie: «Verstehe aber auch deinen Vater und mich, Amenophis. Dass er dich zum Mitregenten ernannte, entsprang weder einer Laune, noch ist dein Vater krank oder müde. Da du nicht der Erstgeborene warst, hattest du nicht wie dein Bruder Thutmosis den Vorzug, von Kindesbeinen an in die Staatsgeschäfte eingeführt zu werden. Umso wichtiger erschien es deinem Vater und mir, dich jetzt stärker in die Herrschaft einzubinden, als es sonst der Fall gewesen wäre.»
Nimuria verstand den Wink und die Hilfestellung seiner Gemahlin und übernahm jetzt selbst wieder das Wort.
«Zwei Jahre. Ich lasse dir genau zwei Jahre, damit du Zeit genug hast, auch den südlichsten Teil unseres Landes kennen zu lernen. Befehlige in Nubien Soldaten und Handwerker, wie du magst. Doch ich erwarte von dir, dass du in genau drei Jahren hier in Waset das Sedfest, mein dreißigjähriges Thronjubiläum,mit mir feierst und es für mich ausrichtest. So sei es und so werde es geschrieben!»
Nimuria hatte seinem Sohn sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass er, der alte Pharao, es war, der in den Beiden Ländern das Sagen hatte. Er allein. Wenn Teje auch einen Bruch zwischen ihnen verhindert hatte, so war doch offensichtlich, dass zwischen beiden Herrschern ein tiefer Graben entstanden war. Teje und ich waren diejenigen, die beide Seiten miteinander verbanden. Im Senetspiel nannte man das einen «Wackelzahn».
Es waren keine vier Nächte seit jenem kurzen Streit zwischen Vater und Sohn vergangen, da rief Nimuria mich zu sich in den Palast der leuchtenden Sonne. Ich ahnte, dass es eine lange Nacht werden würde, und hatte mich deshalb von Ti gleich bis zum nächsten Tag verabschiedet.
Ameni war ganz allein. Er saß auf seiner Terrasse unter einem weißen Sonnensegel. Seine Füße lagen auf einem Schemel, und seine Hände ruhten gefaltet auf seinem massigen Unterleib. Er trug das Nemes-Kopftuch und wie immer ein dünnes Oberhemd.
«Weißt du, dass wir uns viel zu selten sehen», begann Ameni das
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