Im Land des Falkengottes. Echnaton
Königssohnes von Kusch, der seinen Herrscher und die Große königliche Gemahlin empfing und willkommen hieß.
Noch als der Verwalter vor Pharao im Staub lag, sagte Amenophis mit ernster, aber nicht unfreundlicher Stimme: «Könnt Ihr mir sagen, was dies hier bedeutet? Einen Empfang bei Merimes, der mir nicht gerade als bescheidener Mann in Erinnerung ist, hatte ich mir anders vorgestellt. Sprich!»
«Majestät», stammelte der Verwalter und kauerte sich wohl aus Furcht noch mehr zusammen, «Majestät, der Königssohn von Kusch kann Euch nicht empfangen. Er liegt im Sterben.»
Ohne zu fragen, was geschehen war, befahl Amenophis, ihn zu Merimes zu führen. Im Gehen rief er nach hinten: «Und bringt sofort meinen Leibarzt Tutu zu ihm! Aber beeilt euch!»
Dann drehte er sich nochmals um und sagte zu Nafteta und Ti: «Ihr lasst euch gleich in eure Gemächer bringen und wartet dort auf uns. Eje kommt mit mir.»
Zunächst gingen wir durch enge, verwinkelte Gänge, dann durch den Audienzsaal und einige Arbeitszimmer Merimes’. Wirdurchquerten einen kleinen Hof und stiegen eine Treppe hinauf, bis wir das Schlafgemach des Königssohnes von Kusch erreicht hatten.
Sein Eingang war schwer bewacht, doch war den Soldaten sofort bewusst, wer vor ihnen stand, als sie Geier und Kobra auf der Stirn des Herrschers sahen.
Das Zimmer war verdunkelt, und die Luft war stickig. Es roch nach Blut und Eiter, und darüber lag ein merkwürdiger Duft von Heilkräutern und Weihrauch. An der Stirnseite des Raums, links neben der kleinen Fensteröffnung, stand das Bett mit dem Kranken. Es war umringt von einem Arzt, zwei Priestern und einigen Dienern. Alle fielen sofort zu Boden, als sie Pharaos im Zimmer gewahr wurden.
Amenophis ging langsam und leise auf Merimes zu und setzte sich auf die Bettkante. Wie selbstverständlich ergriff er seine Hand und hielt sie liebevoll fest. Merimes öffnete die Augen, und sogleich wurde er aufgeregt und unruhig und versuchte, sich aus dem Bett zu erheben. Aber es gelang ihm nicht, so seinem Herrscher die Ehre zu erweisen.
«Bleib ruhig liegen, Merimes», sagte Amenophis und hielt den Zeigefinger seiner Linken an die Lippen, damit Merimes nicht weitersprach. Dann wandte sich Pharao zur Seite und fragte die Dienerschaft, die noch immer am Boden kauerte: «Sagt mir, was passiert ist!»
Der Leibarzt von Merimes erhob sich zaghaft und sprach mit gesenktem Haupt: «Gestern erst war es, Majestät, als mein Herr, der Königssohn von Kusch, zusammen mit einigen Bediensteten seines Hofstaats in einigen kleinen Booten an das westliche Ufer des Flusses fuhr, um im Schilf nach Enten zu jagen. So wollte er sich selbst um ein Festmahl für Euch kümmern. Es lauerte zunächst keine Gefahr, nur einige Flusspferde hielten sich in einiger Entfernung in Ufernähe auf. Vom Land näherte sich plötzlich ein Rudel Löwen, das offenbar eines der jungen Flusspferde reißen wollte. Da geriet die Herde so in Aufregung, dassviele von ihnen in wildem Durcheinander in den Fluss flüchteten, zwei alte und erfahrene Bullen aber stellten sich mit weit aufgerissenen Mäulern den Löwen entgegen. Die flüchtenden Flusspferde kamen genau auf die Boote zu und überrannten sie. Merimes stürzte ins Wasser und wurde von einem der gewaltigen Tiere in den Unterleib gebissen. Es grenzt an ein Wunder, dass mein Herr überhaupt noch gerettet werden konnte, denn vier unserer Männer verloren dabei ihr Leben.»
Noch während er sprach, war Tutu hereingekommen. Er stellte sich neben das Bett und sah Amenophis fragend an. Pharao nickte nur ein wenig, und Tutu hob das Leinen, das den Kranken bedeckte, vorsichtig zur Seite. Obwohl Merimes vor Schmerz laut aufstöhnte, entfernte der Leibarzt Pharaos auch die Binden direkt auf der Wunde. Es sah entsetzlich aus. Am linken Unterbauch klaffte ein faustgroßes Loch.
«Eine ähnliche Wunde könnt Ihr auf der anderen Seite sehen», sagte die Stimme des Arztes aus dem Hintergrund.
«Meint Ihr, dass der Biss durch den Körper hindurchgegangen ist?», fragte Tutu.
«Das glaube ich nicht, mein Herr. Die Wunde auf der Rückseite liegt etwas versetzt und tiefer. Dies hier», und dabei zeigte er auf den Bauch des Kranken, «müsste der obere Zahn des Flusspferdes gewesen sein. Die Wunde am Rücken rührt wohl vom unteren Eckzahn her.»
«Habt Ihr den Urin des Kranken angesehen?»
«Er ist rot gefärbt», war die knappe Antwort.
Tutu biss sich verlegen auf die Unterlippe, deckte die Wunde vorsichtig ab und
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