Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
Katze schlich ich aus meinem Versteck hervor und hoffte, möglichst von niemandem wahrgenommen zu werden.
«Sorgt Euch nicht um mich, General», sagte ich kleinlaut, woraufhin mich Haremhab erst recht mit besorgter Miene ansah, wusste er doch nur zu gut, dass Bescheidenheit nicht zu meinen ersten Tugenden zählte. Als jetzt auch Nassib mit Falten auf der Stirn zu mir herübersah, gab ich mir einen Ruck. «So geschehe es eben», sagte ich zu mir und gab den anderen mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass ich jetzt bereit war.
Als unser kleiner Zug in dem Zelt eintraf, stand Anchesenpaaton bereits vor ihrem Thron, und nachdem sich Tutanchaton gesetzt hatte, durfte auch sie Platz nehmen.
Als Erster erschien der Bürgermeister von Achmim vor seinemHerrscher. Er und sein Gefolge warfen sich untertänigst in den Staub, ohne zuvor den Guten Gott gesehen zu haben. Ich bemerkte ihre Ungeduld, sich wieder erheben zu dürfen, damit sie ihren künftigen Pharao sehen konnten, und erlöste sie schon bald.
«Erhebt Euch», sagte ich, und schon standen sie wieder auf den Beinen, hielten aber pflichtbewusst die Augen zu Boden gerichtet.
«Ihr dürft Eure Majestät ansehen, wenn Ihr etwas zu sagen habt», setzte ich gütig nach.
Der Bürgermeister war wirklich erstaunt, ein Kind von weniger als neun Jahren, aber versehen mit allen Zeichen der königlichen Macht, vor sich sitzen zu sehen, denn er brachte kein Wort über seine Lippen. Nassib und ich hatten Begegnungen wie diese wieder und wieder eingeübt, und so sah der junge Herrscher den Bürgermeister etwas gelangweilt und mit leicht herabhängenden Augenlidern erst schweigend an, beugte sich dann ein wenig nach vorn und fragte ihn freundlich lächelnd: «Geht es Euch gut, Bürgermeister?»
Der Angesprochene verlor nun gänzlich die Fassung, nickte aufgeregt und stammelte: «Ja, Majestät. Es geht uns gut in Achmim. Majestät, Ihr lebet, seid heil und gesund, es ist eine unvergessliche Ehre für unsere Stadt, dass Ihr bei uns seid!» Mehr hatte er nicht zu sagen.
Hätte es nicht die Würde der Majestät und nicht zuletzt auch die Ehre des Bürgermeisters selbst verboten, ich glaube, wir alle hätten am liebsten losgelacht, so sehr vergnügte uns die Hilflosigkeit dieses gewiss lebenserfahrenen dreißigjährigen Mannes. Ich weiß nicht, ob er jemals in seinem Leben vor einem Pharao gestanden hatte, aber ich war mir sicher, dass er sich die erste Begegnung mit seinem Herrscher anders vorgestellt hatte.
«Habt Ihr einen Wunsch?», fragte ihn Tutanchaton, wie wir es zuvor abgesprochen hatten, und der Bürgermeister antwortete ihm ebenso gut vorbereitet wie demütig.
«Ja, Majestät. Einen Wunsch habe ich: dass Ihr lange undsegensreich über Ägypten herrschen möget, Millionen von Jahren!»
Es war dies einer von jenen Wünschen, die Herrschern aller Länder der Erde am besten gefallen, da sie das Schatzhaus Seiner Majestät nicht belasten. Aber gerade weil die Bescheidenheit so wohltuend ist, wird sie regelmäßig mit einer goldenen Halskette, dem Ehrengold, belohnt.
Nach dem Vorsteher der Güter Seiner Majestät in Achmim und dem Ersten Sehenden des hiesigen Aton-Heiligtums betrat mein Vetter Baki mit seiner Frau und den drei Enkelkindern das Zelt. Ich brauchte erst gar nicht verlegen zu Boden zu sehen, um den Blicken Bakis auszuweichen, denn kaum, dass sie das Innere des Zelts betreten hatten, warf sich die ganze Familie zu Boden.
«Baki?», fragte Nassib mit unsicherer Stimme und blickte zu mir, da mein Vetter das Angesicht in seinen Händen vergraben hatte. Ich nickte ihm wortlos zu, und schon stand Tutanchaton auf und ging eilig die wenigen Schritte, bis er vor Baki stand.
«Steh auf!», befahl der Junge in freundlichem, aber doch bestimmtem Ton und wandte sich sogleich den Enkeln Bakis zu. «Steht auf!», sagte er auch zu ihnen und griff dem Jungen, der zu seinen Füßen lag, unter die Arme und zog ihn sachte hoch.
«Ihr müsst das nicht machen», fuhr Nassib fort. «Ihr seid doch alle Freunde von uns.»
Baki stand noch immer mit gesenktem Haupt vor den beiden Thronen, denn er schien sich noch nicht sicher, ob er seinen Herrscher und die künftige Große königliche Gemahlin wirklich ansehen durfte. Nassib beschäftigte sich mit den drei Knaben, mit denen er noch vor wenigen Monaten gespielt hatte, während ich zu meiner Tochter nach Waset gefahren war.
Ich richtete meine Blicke verlegen nach unten, denn wie unwohl war mir bei dem Gedanken, meinem Vetter bald in
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