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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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so freundlich und ausgelassen wie eh und je, und all die Herzlichkeit, die mir da entgegenschlug, machte es mir schwer, an die Schuld meines Schwiegersohnes zu glauben, auch wenn sie zweifelsfrei feststand.
    In feierlichem Zug ging es dann hinauf in den alten Palast, wo man Tutanchaton die Würdenträger Abus und seiner Umgebung vorstellte. Auch während des Festes am Abend gab sich Rechmire, als wäre nichts vorgefallen, als wüsste er nicht, dass seine Mitverschwörer von einst längst gerichtet und der ewigen Verdammnis preisgegeben waren. Er trank Wein, ohne dabei unmäßig zu sein. Er erfreute sich an der Musik und den Darbietungen der Tänzerinnen, und er berichtete Pharao von der großen Ausbeute in den Steinbrüchen. Sein Auftreten war dabei keineswegs überheblich oder gar herablassend, was mir das, was mir bevorstand, gewiss nur noch schwerer machen würde. Allmählich begann ich sogar, am Verstand meines Schwiegersohnes zu zweifeln. War dies nur ein letztes Aufbäumen seiner Lebensfreude, bevor er endgültig von dieser Welt Abschied zu nehmen gedachte? Oder tat er dies alles nur, um meiner Tochter ein letztes Mal jene heile Welt vorzugaukeln, die es schon lange nicht mehr gab?
     
    Es war spät in der Nacht, und Nassib und viele seiner Gäste waren schon zu Bett gegangen, als Rechmire und ich wie zufällig an der großen Fensteröffnung standen, die uns einen unvergleichlichen Blick nach Süden und auf den von dort kommenden Fluss bot, der sich nur wenige hundert Ellen vor uns teilte, um die Insel in zwei gleich starken Strömen zu umfließen. Seine Wasseroberfläche glänzte silbrig im Schein des Vollmonds, und nur gelegentlich wölbte sich die spiegelglatte Oberfläche und verriet so ein Krokodil oder ein Flusspferd, das auf seinem Weg zum nächtlichen Landgang war.
    «Haben Mahu und du wirklich alles herausgefunden?», fragte mich Rechmire mit belegter Stimme, während seine Hände die Brüstung fest umklammerten, als sollten sie ihm, wenn er gleich die Wahrheit erfuhr, genug Standfestigkeit verleihen.
    «Ich glaube ja, Rechmire. Nur deswegen bin ich auch hierher gekommen. Der Obelisk ist nur ein Vorwand. Wenn du die Listen sehen willst, ich habe sie mitgebracht. Jeder Sack Getreide, jedes Korn Gold und jeder Krug Wein, um die Pharao betrogen wurde, sind darin aufgezeichnet. Auch jeder Steinblock, der dieses Gelände verließ, ohne jemals auf einer Baustelle Seiner Majestät angekommen zu sein.»
    Ich sah, wie sich seine Hände entkrampften, wie seine sonst so aufrechte, mannhafte Körperhaltung wich und Rechmire in sich zusammensank, ja mir war, als wäre er von einem Augenblick zum anderen kleiner geworden.
    «Wie viel Zeit lässt du mir?», fragte er mich kleinlaut.
    «Mach dir deswegen keine Sorgen. Ich wünsche nur nicht, dass du zu fliehen versuchst. Damit würdest du mich zum Handeln zwingen.»
    Er nickte zweimal und bedankte sich leise.
    «Nur eines weiß ich bis heute nicht: Warum wurde Nofretete auf euch aufmerksam und begann, Nachforschungen anzustellen?»
    «Die Gier nach übermäßigem Reichtum und sein Besitz machen offenbar blind und dumm, Eje. Einige von uns – allenvoran Usermonth – stellten ihren plötzlichen Wohlstand allzu dreist zur Schau. Sie haben nicht damit gerechnet, dass Nofretete als Frau den Schmuck, den andere Frauen tragen, besonders genau besieht. Und wenn die Gemahlin Usermonths bei einem Fest im Palast Schmuck trägt, der sonst nur einer Königin würdig ist, und sich Usermonth gleichzeitig darüber beklagt, dass die Goldlieferungen aus den Mienen im Osten und in Nubien stets weniger werden, war es keine Überraschung mehr, dass deine Tochter Nachforschungen anstellen ließ.»
    «Und so wurde ihr Tod beschlossen, damit euer Verrat unentdeckt blieb! Sag mir, Rechmire: Wer von euch verfiel auf den entsetzlichen Gedanken, meine Tochter und ihre Kinder zu ermorden?», fragte ich ihn, und im gleichen Augenblick spürte ich, wie mein Herz aufgeregt zu rasen begann. Rechmire sah eine Weile schweigend auf den silbrig glänzenden Nil hinaus, dann wandte er sich wieder mir zu: «Wir alle waren es gleichermaßen, Eje. Uns trifft alle dieselbe Schuld.»
    Ich war erstaunt, dass er nicht versucht hatte, einem anderen die alleinige Schuld am Tod meiner Tochter zu geben, was mir zwar ein wenig Achtung abverlangte, mir aber auch keinen Grund gab, ihn über die anderen zu stellen und zu schonen.
    «Hat Mutnedjemet irgendeine Ahnung davon, dass auch du damit zu tun hast?»
    «Nein»,

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