Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
den Namen meines Schwiegersohnes auch nur mit einem Wort vor anderen zu erwähnen.
Einzig Aper-el wurde von mir über die Verstrickung seines Sohnes in all die Verbrechen unterrichtet. Es war nicht nötig, dass ich am Abend vor unserer Abreise all die Papyrusrollen mit den Listen und den aufgeschriebenen Geständnissen vor dem Wesir ausbreitete. Er schob sie bedächtig zur Seite und sagte leise: «Dein Wort genügt mir.»
Nach einer langen Zeit des Schweigens fragte er mich: «Was wird mit meinem Sohn geschehen?»
«Ich werde ihm genug Zeit lassen, sich selbst zu richten, ohne dass erst ein förmliches Urteil über ihn gesprochen werden muss. Dann mag er wenigstens ehrenvoll bestattet werden. Über sein Schicksal im Jenseits mögen dann Osiris und Anubis entscheiden. Der einzige Trost für dich und mich mag sein, dass die Ehe deines Sohnes und meiner Tochter bislang kinderlos geblieben ist.»
«Ja», sagte Aper-el, «das ist wahrlich der einzige Trost. Ich weiß, was es bedeutet, die Gerechtigkeit der Maat zu erfahren. Mich hatte der Wesir einst zu Unrecht eines Verbrechens bezichtigt, und es war Echnaton gewesen, der mich vor seinem Vater aus dem Staub der Schande erhoben hatte. Deswegen muss auch jetzt Gerechtigkeit herrschen, selbst wenn die härteste aller Strafen meinen eigenen Sohn trifft. Die Opfer, die uns Maat abverlangt, sind manchmal groß, Eje.»
Die Augen Aper-els, die sonst so wach und aufmerksam unter seinen buschigen Augenbrauen umhergehuscht waren, wirkten jetzt alt und leer. Ich wusste, dass Aper-el einer alten Soldatenfamilie entstammte. Gewiss waren einige seiner Vorfahren in heldenhaftem Kampf gefallen. Mag die Trauer um sie auch noch so groß gewesen sein, ihr Tod warf jedoch nicht den Schatten der Schande, sondern den Glanz des Heldentums aufihre Namen. Der Schimpf und die Schande, die Rechmire über seine Familie gebracht hatte, mochten dem rechtschaffenen Aper-el das Herz abschnüren.
«Lass ihn in Abu für die Ewigkeit vorbereiten», sagte der Wesir zum Abschied zu mir. «Er wird dann hier ebenso still bestattet werden wie Acha.»
Ich versprach es ihm und ließ ihn in seinem Schmerz zurück.
Tutanchaton musste als Herrscher von den Urteilen und von den Hinrichtungen erfahren; das Ende der Verbrecher hat er sich freilich nicht ansehen müssen. So hatte er kaum eine Vorstellung davon, was sich Entsetzliches ereignet hatte, und trat die Reise fröhlich und unbeschwert an. Es war seine erste große Fahrt auf der neuen königlichen Barke, und dem Schiffsbaumeister Nebenkemet konnte keine größere Ehre zuteil werden, als dass er trotz seines hohen Alters Pharao auf dessen Fahrt nach Süden begleiten durfte.
Wo wir auch hinkamen, die Freude über den Besuch des jungen Herrschers war zwar unbeschreiblich, gleich, ob in Iuny, Per-Hathor oder Hefat; in Esna wurde Tutanchaton ebenso bejubelt wie in Edfu und in Nubt. Aber mit der Freude über das Erscheinen des jungen Pharao war überall die Hoffnung verbunden, dass Ägypten unter einer langen Herrschaft Tutanchatons und unter dem Schutz unserer alten Götter zu früherem Glanz zurückkehren werde. Es stimmte mich nachdenklich, dass Pharao von nicht einem einzigen Untertanen auf seiner Fahrt ermuntert wurde, am Glauben seines Vaters Echnaton festzuhalten. Freilich wagte es niemand, Tutanchaton zu bitten oder gar ihn aufzufordern, von Aton als dem einzigen Gott abzulassen, und mir versicherte man im Vertrauen, dass man die Heiligtümer Atons, die Echnaton überall im Land errichtet hatte, nicht antasten und man Aton auch weiterhin Verehrung entgegenbringen würde. Aber ich sah mit eigenen Augen, dass die Menschen die Rückkehr zum alten Glauben ihrer Väter längstvollzogen hatten. Die Tempel und Heiligtümer, die in der Zeit ihrer Schließung vernachlässigt worden waren, die zugeweht waren vom Sand der Wüste und überwuchert von Disteln und Gras, wurden jetzt von den Menschen mit einfachsten Mitteln liebevoll hergerichtet, damit sie die ihnen noch immer vertrauten Götter wieder verehren konnten.
Auf der Elefanteninsel war man auf den Besuch Pharaos bestens vorbereitet, ich sah den kleinen alten Palast herausgeputzt wie selten zuvor. Rechmire kannte natürlich den offiziellen Anlass des Besuchs: Pharao wollte hier in den Steinbrüchen den Auftrag zur Schaffung eines neuen Obelisken für das Gempa-Aton in Achet-Aton verkünden.
Rechmire ließ sich bei unserer ersten Begegnung im Hafen nichts anmerken. Mutnedjemet und er begrüßten mich
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