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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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in anderen Städten der Beiden Länder viele auf eine Schwäche des Königshauses hoffen. Die Macht, die von Nordosten her Ägypten immer näher kommt, wird zunehmend größer und gefährlicher. Stadt um Stadt, einst treue Verbündete oder Vasallen Pharaos, fällt in die Hände der Hethiter.»
    Mahu sah mit weit geöffneten Augen in die Runde, und weil er keine Zustimmung erhielt, fuhr er fort: «Erinnert Ihr Euch nicht, was man uns schon als Kinder gelehrt hatte? War es nicht so, dass die Hyksos über Ägypten herfielen und es besetzten, als das Land zerstritten und ihre Herrscher schwach waren? War es nicht so, dass Kleinkönige aus dem Gebiet der Flussmündung dem vereinten Reich den Rücken gekehrt undsich im Süden die Fürsten gestritten hatten, ohne nach Norden zu blicken? Hätten Sesostris und Amenemhat, die letzten großen Herrscher des Mittleren Reiches, denn geglaubt, dass so bald nach ihrem Tod die Beiden Länder auseinander brechen und die Beute erst uneinsichtiger Stammesfürsten und dann der Hyksos werden würden? Zweihundert lange Jahre der Unterdrückung und der Demütigung unseres Volkes mussten erst vergehen, ehe Pharao Kamose den Befreiungskampf begann und ehe unter seinem Bruder Ahmose Ober- und Unterägypten als freie Länder wieder vereint werden konnten. Habt Ihr das wirklich vergessen?»
    Eine lange Zeit betretenen Schweigens verging, bevor sich Aper-el zu Wort meldete: «Dann scheinen wir keine andere Wahl zu haben, als dass Tutanchaton noch heute den Thron Ägyptens besteigt und ein erfahrener und angesehener Fürst zum Regenten bestimmt wird.»
    Alle sahen mich erwartungsvoll an. Aber ich schwieg. Ich schwieg, weil ich es nicht fertig brachte, das zu sagen, was Maat, unsere von Gott gegebene Ordnung, von uns verlangte.
    «Oder willst du selbst, und sei es als Mitregent von Tutanchaton, den Thron besteigen? Dann sag es, Eje, aber gib uns eine Antwort! Dein Schweigen ist unerträglich», fuhr Acha mich in gereiztem Ton an.
    «Niemals würde ich das wagen», sagte ich leise und doch so bestimmt, dass einige von ihnen mich aufgeschreckt anstarrten. Ich erinnerte mich der Traumbilder der vergangenen Nacht und war mir jetzt sicher, dass ich sie als Warnung des Jenseits vor übereilten Schritten zu deuten hatte. Die Krone hatte ich verweigert, doch ich musste ihnen eine Antwort auf ihre Fragen geben.
    «Vergesst nicht», fuhr ich deswegen fort, «dass es einen gekrönten Herrscher der Beiden Länder gibt: Semenchkare. Meint Ihr wirklich, dass wir sie einfach übergehen dürfen? Ihr redet vom künftigen Pharao, während Semenchkare in Waset die Doppelkrone trägt und zumindest in Oberägypten als König regiert, alsrechtmäßig eingesetzter Pharao! Ich bin mir dessen gewiss, dass meine Tochter der Maat gehorchen und nach ihrem Eintreffen die Krone dem männlichen Nachfolger ihres Gemahls weitergeben wird. Aber übergehen dürfen wir sie nicht.»
    «Ihr meint also wirklich», ergriff nun Haremhab zum ersten Mal das Wort, «dass wir tatenlos zusehen sollen, wie Ägypten mehr und mehr dem Untergang zutreibt, bis Semenchkare, sie lebe, sei heil und gesund, bis Eure Tochter Nofretete nach Achet-Aton kommt und uns ihre Entscheidung mitteilt?»
    «Der Ton Eurer Worte ist nicht angemessen, General», entgegnete ich tief getroffen. «Gleichwohl: Ja, ich bin der Meinung, dass wir warten müssen – wenn auch nicht tatenlos. Ich zweifle nicht einen Augenblick daran, dass Semenchkare als Regentin Tutanchatons ohne Zögern den Befehl erteilen wird, die Grenzen Ägyptens zu sichern und unsere Verbündeten vom Joch ihrer Unterdrücker zu befreien. Wir alle können Euch noch heute damit beauftragen, nach Men-nefer zu reisen und dort Truppen auszuheben, damit Ihr ohne Zeitverlust nach Norden weitermarschieren könnt, sobald Euch der Befehl Pharaos erreicht. Ebenso habe ich keinen Grund, daran zu zweifeln, dass Mahus Polizisten und die Leibwache bis zum Eintreffen Semenchkares Ruhe und Ordnung in der Stadt aufrechterhalten, und sei es mit Waffengewalt.»
     
    Ich hatte natürlich nicht die geringste Vorstellung davon, wie sich meine Tochter nach ihrer Ankunft in Achet-Aton tatsächlich verhalten würde. Doch der Gedanke, dass Haremhab bald nicht mehr hier sein würde, gefiel mir. Er gefiel mir, ohne dass ich mir selbst darüber im Klaren war, warum ich den General unbedingt loswerden wollte. Haremhab sah mich mit kleinen, verärgerten Augen an, denn er schien zu spüren, dass ich ihn nicht nur in lauterer Absicht

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