Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
nach Norden schicken wollte. Doch konnte er jetzt nicht mehr zurück. Denn zumindest, was ihn und seine Kampfeslust betraf, war ich ihm ohne Einschränkung entgegengekommen. Und er konnte kaum behaupten,dass Mahu unfähig war, für Ordnung zu sorgen, ohne den Unmut der anderen auf sich zu ziehen.
Fragend sah ich so lange in die kleine Runde, bis alle zustimmend mit dem Kopf genickt hatten. Ich glaube, Aper-el war außer mir der Einzige, der die baldige Abkommandierung Haremhabs uneingeschränkt guthieß, denn er griff den Gedanken sofort auf: «Wie viele Rekrutenschreiber werdet Ihr benötigen, General? Wir müssen die Sorge um die Grenzen Ägyptens ernst nehmen und dürfen keine Anstrengung unterlassen. Am besten legt Ihr noch heute eine Liste mit allem vor, was Ihr benötigt. Wir alle werden zu Eurer Beruhigung die Befehle unterzeichnen.»
Bereits am anderen Tag fuhr ein Kriegsschiff mit Haremhab an Bord nach Men-nefer.
«Wie Ihr, Gottesvater Eje, bin auch ich der Meinung, dass Haremhabs Anwesenheit in Achet-Aton mehr schaden würde, als dass sie uns von Nutzen wäre», sagte Aper-el zu mir, als wir später allein waren.
«Unterschätzt ihn nicht, Aper-el! Wisst Ihr denn, wessen Nähe er sucht, wenn er fern von Achet-Aton seinen Groll gegen uns hegt? So schnell, wie er den neuen Glauben angenommen hat, legt er ihn auch wieder ab, wenn er sich davon Vorteile verspricht.»
Aper-el sah mich herausfordernd an, aber er wagte es nicht, mich nach der Festigkeit meines Glaubens zu fragen. Mir lag daran, ihn nicht gänzlich im Unklaren zu lassen.
«Ich verstehe mich nicht auf die jenseitigen Dinge. Sie sind allein Pharao und seinen Priestern vorbehalten. Der künftige Herrscher wird uns den Weg weisen, denn nur er in seiner göttlichen Weisheit kennt das Heil.»
Aper-el trat näher an mich heran und vergewisserte sich noch einmal, dass uns niemand belauschen konnte. «Werden wir nicht bald zum alten Glauben und zu den alten Göttern zurückkehren müssen, wenn wir einen offenen Aufruhr, den diePriester Amuns zweifelsfrei schüren werden, vermeiden wollen? Glaubt Ihr das nicht selbst, Gottesvater Eje?»
«Mich könnt Ihr das fragen, Aper-el. Doch eine Antwort erhaltet Ihr von mir nicht. Aber hütet Euch davor, mit anderen darüber zu sprechen, solange Ihr nicht wisst, wer in Ägypten das Sagen haben wird. Bezeichnet mich als feige, wenn Ihr wollt. Ich werde schweigen. Ich schweige über das, was ich gehört habe, ebenso wie über das, was ich denke. Das lässt mich vielleicht älter werden, als manchem recht sein könnte.»
Der Palastvorsteher zog die buschigen Augenbrauen nach oben und machte mit dem Unterkiefer eine kreisende Bewegung, als müsste er ihn nach einem Faustschlag wieder einrenken.
«Wahrscheinlich habt Ihr Recht, Eje. In unruhigen Zeiten ist man selbst besser ruhig. Dennoch: Ist nicht derjenige umso angesehener, der sich in schweren Zeiten offen zu einer Sache bekannt hat, anstatt schweigend abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln?»
«Wenn er sich auf die richtige Seite geschlagen hat, vielleicht ja. Wenn Ihr Euch sicher sein könnt, dass ein offenes Wort geduldet wird, ja willkommen ist, dann sprecht frei heraus. Aber vergesst nicht, dass es viele gibt, die nur auf den tiefen Sturz eines bislang vom Schicksal Begünstigten warten. Eine noch so belanglose Intrige – zur rechten Zeit in die Welt gesetzt – kann Euer Ende bedeuten.»
Aper-el wird mich in diesem Augenblick für einen Feigling und für einen Heuchler gehalten haben, denn er sah mich an, als wollte er nicht recht glauben, was er eben aus meinem Mund gehört hatte.
«Aber die Wahrheit wird immer die Wahrheit bleiben, Eje, oder etwa nicht?»
«Die schlimmste, die gemeinste Unwahrheit, Aper-el, ist die Wahrheit, wenn sie nur ein klein wenig entstellt wird. Es gibt in Ägypten nur eine Wahrheit: das Wort Pharaos.»Die neue Lehre Echnatons über das Leben im Jenseits hatte das aufwändige Zusammenstellen ungeheurer Mengen kostbarster Grabbeigaben hinfällig gemacht. Es bedurfte in den Gräbern keiner Lebensmittelvorräte mehr, denn der Ba des Toten, das unsichtbare zweite Ich des Menschen, trat Tag für Tag aus dem Grab heraus, um im Tempel Atons an den Opfergaben teilzuhaben. Der Verstorbene brauchte keine Gegenstände des alltäglichen Lebens, denn nachts ruhte er nur in seinem Grab, und bei Tage, wenn Aton die Finsternis verdrängt hatte, nahm er an unserem Leben teil.
So entschlossen wir uns, Echnaton nur einige Truhen mit
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