Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
Reden geführt wurden. Aber letztlich hatten Mahu und Maja die Sehenden des Amun überzeugt, dass sie sich mit meiner Herrschaft abfanden. Zustimmung oder gar Zuneigung hatte ich gar nicht erwartet.
Mein Herz begann zu rasen, nachdem der Schrein mit der goldenen Statue Amuns wieder verschlossen war und ich jetzt die Doppelkrone erblickte. Wenige Augenblicke waren es noch, winzige Schritte, und ich, Eje, Sohn des Juja und der Tuja, einziger Freund Seiner Majestät, Vorsteher der Streitwagentruppeund Gottesvater, war der Herrscher über die Beiden Länder, war der Gute Gott, war Pharao!
Dann endlich geschah es, und ich spürte, wie die Krone schwer auf meinem Kopf lastete, mich beinahe niederdrückte. Aber ich ertrug es. Stand ich jetzt nicht in einer Reihe mit all jenen, die Thutmosis hießen, Amenophis, Echnaton und Tutanchamun?
Wieder erschallten die Fanfaren, als ich den Saal betrat. Ich durchschritt ihn mit meiner Großen königlichen Gemahlin, um mich auf der Treppe der Menge zu zeigen. Dann bestieg ich den Torturm des Palastes und sah die gewaltige Menschenmenge vor mir, die erst zu Boden fiel, um den Namen ihres neuen Herrschers zu vernehmen, und die sich dann erhob, um mir zuzujubeln, wie sie jedem zujubelte, der ihr Horus wurde.
Ich verschoss vier Pfeile in alle Himmelsrichtungen, um so zu zeigen, dass ich die Macht über die Welt ergriff. Ich fasste selbst mit an, um einen Djetpfeiler zu errichten, aber den Lauf um den Palast musste ein junger Offizier stellvertretend für mich übernehmen.
Abends wurde überall im Palast und in Waset gefeiert, so wie immer gefeiert wurde in Ägypten: Es duftete nach Jasmin und nach Lotosblüten, es wurde getanzt und musiziert, die Mädchen geizten nicht mit ihren Liebreizen, und ich bedauerte es, dass ich schon einundsiebzig und nicht mehr zwanzig Jahre alt war. Es gab die besten Weine aus Ägypten und Syrien, und wir aßen die erlesensten Speisen. Drei Tage feierten Waset und Ägypten meine Thronbesteigung.
Doch dann kam auch der Tag, da wir Tutanchamun zur letzten Ruhe betten mussten. Es ging still und unauffällig zu. Die Menschen auf der Straße dachten ohnehin, er wäre längst bestattet worden, denn sonst wäre meine Krönung nicht möglich gewesen.
Anchesenamun und ich standen vor dem geöffneten Sarg und blickten stumm auf die Goldmaske vor uns. Noch einmal sahenwir das junge Antlitz Tutanchamuns, seine kräftigen, etwas aufgeworfenen Lippen und die freundlichen und großen Augen. Meine Tochter legte einen Blumenkranz auf sein Haupt, dann gossen die Priester heiliges Öl über den Toten und verschlossen den innersten Sarg. Sie legten ihn in einen zweiten und diesen in einen dritten Sarg. Nachdem er verschlossen war, stellten sie ihn noch einmal auf, und nun war es an mir, das Ritual der Mundöffnung zu vollziehen, damit er zum ewigen Leben im Jenseits erwachte.
Danach trugen sie ihn die kurze, steile Treppe hinab und durchschritten den leicht abfallenden Korridor. Im ersten Raum standen an einer Längswand drei rituelle Betten, auf welchen Pharao für die Ewigkeit vorbereitet wurde. Auf ihnen befanden sich allerlei Vorräte, Truhen und Schemel, einige seiner Bögen und ein Sessel aus Kindertagen. Links neben dem Eingang lagen die Einzelteile von dreien seiner Streitwagen, und da stand die Figur, die ihm einst der greise Bildhauer Thutmosis geschenkt hatte und die das wahre Abbild des jungen Herrschers zeigte. Rechts vor dem Eingang zur Grabkammer standen zwei schwarze Wächterfiguren in natürlicher Größe. Sie zeigten Tutanchamun mit Nemeskopftuch. Er trug einen breiten Halskragen, einen langen Schurz und Sandalen. Er stand dort in Schrittstellung, in der Linken hielt er einen langen Stab und in der Rechten eine Keule, um die Feinde Ägyptens niederzuschlagen.
Sie plagten sich, um den Sarg in den roten Steinsarkophag zu heben, denn der Raum war eng, viel zu eng, für ein Königsbegräbnis. Da sie merkten, dass der äußere Sarg zu groß war, mussten sie an seinem Fußende ein Stück absägen. Ich war außer mir vor Wut über diese Nachlässigkeit und ging in die nächste Kammer, die sich rechts an die Grabkammer anschloss. An ihrer Rückwand stand der goldene Schrein mit den Kanopenkrügen, die die Eingeweide Pharaos bargen. Vier Göttinnen, jede knapp zwei Ellen groß, standen mit ausgebreiteten Armen vor den Wänden des Schreins, um ihn zu bewachen: Isisund Nephthys, Neith und Selket. Die anmutigste von ihnen war Selket, auf deren Haupt ein Skorpion
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