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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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Unruhestifter niederzuschlagen? Die einst so treuen Freunde Ägyptens hätten es Pharao tausendfach gedankt.
    «Jeder Krieg gebiert zwei andere Kriege», hatte Echnaton zur Antwort gegeben, wenn er gedrängt worden war, in Syrien einzugreifen. Mit seiner bedingungslosen Friedensliebe wollte er Suppiluliuma als den Urheber aller Kriegsgräuel entblößen und ihn so zwingen, dem Beispiel Pharaos folgend, zum Frieden zurückzukehren. Doch nur Hohn und Spott erntete Echnaton aus Hattuscha, und heute noch habe ich die Zeilen des armen Schuwadarta, des Fürsten von Qiltu, vor Augen, als er in seiner Verzweiflung an Echnaton schrieb: «Erfahre, o König, mein Herr, dass alle Länder des Königs genommen worden sind.»
    «Gib, einziger Aton, dass Nofretete die Beiden Länder zu einstiger Größe zurückführt», sagte ich leise, wandte mich wieder um und stieg hastig den Pfad empor. Sie alle standen jetzt in der Bergenge, die den Zugang zum Tal bildete, und warteten schweigend auf mich.
    «Verzeih!», sagte ich zu meiner Tochter, die mich mit besorgter Miene von ihrer Sänfte herab ansah. «Ich musste ein wenig rasten.» Sie nickte verständnisvoll, und ihr Nicken war gleichzeitig das Zeichen, dass der Marsch fortgesetzt wurde.
    Es mochte eine weitere knappe Stunde vergangen sein, bis wir den Eingang zum Grab erreicht hatten. Dort wurde der Sarg zwischen dampfenden Weihrauchpfannen abgestellt und zu Gebeten Merires noch einmal geöffnet. Gebannt starrten wir alle auf die goldene Totenmaske. Sie war eine Schöpfung des Oberbildhauers Thutmosis. Das Abbild Echnatons war nicht jenes aus frühen Tagen, als sich Pharao mit aufgeworfenen Lippen, lang gezogenem Gesicht und schlitzartigen Augen darstellen ließ. Wir sahen vielmehr die wahrhaften Gesichtszüge des Verstorbenen, weich, liebevoll, mit einem Lächeln, das ein Wissen und eine Ahnung verriet, die uns allen fehlten, ein Wissen um Dinge aus einer anderen, friedvolleren Welt. Nofretete legte einen aus Kornblumen und Margeriten geflochtenen Kranz auf die Goldmaske ihres Gemahls, und Merire goss süß duftendesÖl darüber und ließ den Sarg wieder verschließen. Ein letztes Mal hoben lautes Weinen und Wehklagen an, ehe der Sarg in der Tiefe des Grabes verschwand. Ihm folgten Nofretete, Meritaton und Merire, und auch Teje nahm den Gang in das finstere und stickige Grab auf sich. Ich nahm Tutanchaton an der Hand und ging mit ihm die wenigen Schritte zum Eingang, als uns ein Soldat mit vorgestreckter Hand zu verstehen gab, zurückzubleiben.
    «Ich habe schon Osiris Thutmosis zu seiner letzten Ruhestätte begleitet und allein die Bestattung von Osiris Amenophis geleitet. Du wirst mich nicht davon abhalten» – und dabei zeigte ich auf den Knaben   –, «auch seinen Vater auf seinem letzten Weg zu begleiten!»
    Nofretete, die nur wenige Schritte entfernt stand, hatte meine Worte gehört, drehte sich um und sagte, ohne mich oder Tutanchaton auch nur eines Blickes zu würdigen: «Lasst sie durch!»
    Wie entwürdigend war diese vermeintliche Gnade, denn das Verhalten des Soldaten zeigte mir, dass es vorher zweifelsfrei einen anders lautenden Befehl gegeben hatte. Ich ließ mir nichts anmerken und nickte dem Soldaten zu, als ich mit Tutanchaton an ihm vorbeiging.
     
    «Du brauchst dich nicht zu fürchten», sagte ich leise, wusste ich doch, dass der Junge zum ersten Mal ein Felsgrab betrat. «Ich habe keine Angst», flüsterte Tutanchaton fast trotzig, doch ich spürte, wie sein Händedruck fester wurde, damit ich ihn nicht verlieren konnte. Ich hörte zwischen den metallischen Klängen der Sistren einige Schritte vor uns das Knirschen, welches der die Rampe hinabgleitende Sarg auf dem eigens verstreuten Sand verursachte, und die Kommandos, die sich die Grabarbeiter, die jeden Schritt und jeden Winkel der engen Gänge kannten, leise zuflüsterten. Aus der Tiefe zog uns der Duft von Weihrauch entgegen und machte die Luft noch stickiger, als sie es ohnehin schon war. Am Fuß der ersten steilen Treppe gelangten wir aufeine kleine Plattform, und von dort führte ein stufenloser Korridor schräg nach unten. Auf der Hälfte des Weges führte rechts ein Zugang zu noch unbelegten Grabkammern, und an seinem Ende schloss sich ebenfalls rechts jene Kammer an, in der vor fünf Jahren meine Enkelin Maketaton bestattet wurde.
    Zu beiden Seiten einer schmalen Rampe führten uns zwölf Stufen einer steilen Treppe weiter nach unten, wo jenseits einer kleinen Plattform der tiefe Brunnenschacht lag.

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