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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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wurde mir bewusst, dass kaum eine andere Stelle so sehr auf Echnaton zutraf wie diese:
     
    «Die Welt entsteht auf Deinen Wink,
    wie Du sie geschaffen hast.
    Gehst Du auf, so leben sie alle,
    gehst Du unter, so sterben sie.
    Du bist die Lebenszeit selbst, man lebt durch Dich.
    Die Augen ruhen auf Deiner Schönheit,
    bis Du untergehst,
    alle Arbeit wird niedergelegt,
    wenn Du untergehst im Westen.»
     
    Ich weinte. Träne um Träne rann über meine Wangen.
    «Lass nicht zu, dass die Schönheit untergeht, die du geschaffen hast!», flehte ich leise. «Erhalte uns die Welt, die du für uns geschaffen hast!»
    Mit dem Saum des schwarzen Tuches trocknete ich mein Gesicht. Dann stieg ich die eine Stufe nach oben und wandte mich im Ausgang noch einmal um. «Ich habe es dir versprochen, Echnaton: Es wird ihm nichts geschehen.»
    Im Umdrehen fiel mein Blick auf den goldenen Siegelring, der im Licht meiner Fackel kurz aufblitze. Ich sah auf den schwarzen Schrein, dann tat ich zwei, drei Schritte, nahm den Ring wieder an mich und eilte hinaus. War es Echnaton, oder war es eine innere Stimme, die mir gesagt hatte: «Nimm ihn an dich»? Was immer es war, ich antwortete: «Du hast Recht!», und ging eilig weg.
    Die Arbeiter hatten am Brunnenschacht auf mich gewartet, und kaum dass ich die Bohlen überschritten hatte, stürzten diese krachend in die Tiefe, woraufhin wir alle eilig erst die steile Treppe, dann den langen Korridor und schließlich die letzte Treppe hinaufeilten, bis wir das Freie erreicht hatten. Niemandem war aufgefallen, dass ich allein zurückgeblieben war, denn Teje und Tutanchaton konnten nur kurz vor mir aus dem Grab getreten sein, da sich beide noch, vom gleißenden Sonnenlicht geblendet, ihre Hände schützend vor die Augen hielten.
    Wie es auch jetzt noch Brauch war, nahmen alle unter einem Baldachin Platz, um ein bescheidenes Leichenmahl einzunehmen. Währenddessen mauerten die Arbeiter am Fuß der ersten Treppe den Eingang zu. Nofretete selbst brachte die Siegel an, dann füllten die Arbeiter den Treppenschacht vollständig mit Schutt auf, bis der Zugang zum Grab kaum mehr zu erahnen war. Wind und Sand würden in wenigen Tagen ihr Übriges tun, um den Zugang zu Echnatons Grab unkenntlich zu machen.
    «Komm zu mir in die Sänfte!», rief Teje meinem Schützling zu, als wir den Rückweg antraten.
    «Er bleibt jetzt bei mir», antwortete ich ihr, ohne Tutanchaton vorher gefragt zu haben. Dann sah ich hinab in seine großen braunen Augen und sagte leise zu ihm: «Du bleibst jetzt für immer bei mir!» Zur Bekräftigung drückte ich ein wenigseine Hand und wandte meine Blicke noch einmal zurück. Ein einzelner Falke schwebte im Rüttelflug über dem Berg, unter welchem das Grab lag. Dann stieß er zwei helle Schreie aus, um danach im Sturzflug hinter dem Berg zu verschwinden.
    Ich nahm es als ein gutes Zeichen.
     
    Niemand nahm Anstoß daran, dass Tutanchaton von nun an ausschließlich bei mir lebte und nicht im Nordpalast bei Nofretete und den Prinzessinnen.
    «Es ist auch besser so», sagte Aper-el zu mir, als er wenige Tage nach der Bestattung Pharaos auf meiner Terrasse saß. Er stellte seinen Becher auf den kleinen Tisch neben sich zurück und wischte sich etwas unfein mit dem Handrücken einige Tropfen Bier von der Oberlippe.
    «Warum sie den Jungen nur so hasst», sagte er, ohne seine Blicke von Tutanchaton abzuwenden, der wenige Schritte entfernt unter einer Dumpalme auf dem Boden hockte und seine Schildkröte mit Salatblättern fütterte.
    «Hass würde ich es nicht nennen, Aper-el», versuchte ich abzuwiegeln. «Dass sie ihn nicht mag und dass sie sich davor fürchtet, er könnte eines Tages seinen Anspruch auf die Herrschaft geltend machen, kann ich verstehen. Nur: Es verstößt gegen alle Gebote der Maat. Ich habe alles versucht, aber sie will nicht einsehen, dass ihr Vorhaben, eine weibliche Thronfolge einzurichten, Unrecht ist.»
    Aper-el wandte sich mir zu, und wir sahen uns lange schweigend in die Augen. Ich wusste nur zu gut, was in seinem Kopf vorging, und damit er es erst gar nicht aussprechen musste, sagte ich: «Nein. Keine Gewalt. Nicht, weil sie meine Tochter ist, nicht deswegen, Aper-el. Aber Ägypten steht ohnehin schon am Rand des Abgrunds. Das weißt du so gut wie ich. Wir haben die Soldaten gesehen, in deren Begleitung Nofretete hierher kam und die sie Tag für Tag umgeben. Meine Tochter würde nicht einen Augenblick zögern, sie einzusetzen.»
    «Und Haremhab», gab Aper-el zu

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