Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
aus Waset. Ich erkannte dies an den blauen Farben ihrer Fahnen. Es war die Farbe jener mächtigen Einheit, die früher, bevor Echnaton alle anderen Götter neben Aton verboten hatte, «Division des Amun» hieß. Diese lag in Waset. Wie vorsichtig meine Tochter war! Und wie unsicher zugleich. Sie selbst schien sich ihres Thrones noch keineswegs sicher zu sein. Wie viel mochte sie ihren Anführern wohl versprochen haben?
Thutmosis, der Stellvertreter Pharaos in Nubien, der den Titel Königssohn von Kusch trug, zog als Letzter der Mächtigen Ägyptens mit großem Gefolge in Achet-Aton ein, und allein seine Anwesenheit versprach, dem Fest etwas von jenem Glanz zu verleihen, den Ägypten von früheren Krönungsfeiern kannte.
So nahm auch innerhalb der Palastmauern die Betriebsamkeit zu, denn einzig dem Königssohn von Kusch war es vorbehalten, in den Stadtpalast einzuziehen und dort zu leben, als wäre es sein Zuhause. So schleppten die Nubier Truhe für Truhe vom Hafen in den Palast, und wer es sah, fragte sich, ob sie vor allem die Schätze bargen, die Thutmosis seiner Herrscherin zumGeschenk machen würde, oder nur seine Festgewänder und die seines Anhanges. Heerscharen von Gärtnern zogen durch sämtliche Gartenanlagen der Stadt, jäteten Unkraut, ergänzten, wo etwas fehlte, setzten fremdartige Pflanzen, die man sonst nur selten zu sehen bekam, und verwandelten das ohnehin mit Gärten so verwöhnte Achet-Aton in eine Oase von nie da gewesener Blütenpracht. An die Spitzen der zehn Fahnenmasten am Torturm des Gempa-Aton wurden neue Fahnen hochgezogen, deren Tuche in grellem Gelb und sattem Rot weithin sichtbar im Wind flatterten und aufs Neue die Gegner Atons herausforderten, waren doch zu Ehren aller früherer Gottheiten – selbst Amuns – nicht mehr als acht Fahnenmasten erlaubt gewesen.
Der Kronrat versammelte sich in diesen Tagen häufiger als sonst, und Nofretete achtete offenbar streng darauf, dass ich an jeder Versammlung teilnahm, denn sie war eher bereit, eine Zusammenkunft um einige Stunden zu verschieben, als sie ausfallen zu lassen, wenn ich einmal erklärte, unpässlich zu sein. Ihre Absicht war mir durchaus bewusst: Nichts sollte geschehen, von dem ich später hätte sagen können, es sei ohne mein Wissen beschlossen worden. Da ihre Pläne ohnehin unabänderlich waren, nahm ich alles auf mich und wartete nur auf die Gelegenheit, meine Forderungen für Tutanchaton stellen zu können.
Es war an jenem Tag, als wir zum ersten Mal die Krönungszeremonie besprachen. Diesmal war es meine Schwester Teje, die mir dabei sehr hilfreich war.
«Majestät», begann zunächst Aper-el seine Rede und verneigte sich dabei nur knapp, was bei ihm sehr höflich und nicht so unterwürfig wie bei manch anderem aussah.
«Es steht allein dem würdigsten Mann der Beiden Länder zu, als der Mund Eurer Majestät den Großen des Landes und allem Volk Euren Thronnamen zu verkünden.»
Nofretete schwieg und sah stattdessen Aper-el herausfordernd an. Wer wollte ihm jetzt aus dieser Verlegenheit helfen, wenn er sich nicht bereits auf einen Namen festgelegt hatte? Dakam ihm Teje zu Hilfe und sagte, ohne ihren Blick von einem Bild am Boden vor ihren Füßen abzuwenden:
«Wenn es Euch darum geht, einen würdigen Mann zu bestimmen, einen Mann, der bereits von Echnaton selbst ausersehen war, ihn in wichtigsten Amtshandlungen, wie bei der Bestattung seines eigenen Vaters, zu vertreten, dann kann die Wahl nur auf meinen Bruder Eje fallen. Keiner, außer Nofretete selbst, kennt die Worte und den Willen Echnatons besser als er.»
An dem kurzen Zucken ihrer Augenbrauen erkannte ich, wie angenehm überrascht Nafteta war, musste sie es doch nicht selbst sein, die mich darum bat.
«Wenn deine Vorstellung, liebe Schwester, auch dem Wunsch meiner Tochter entspricht», sagte ich und ließ den Rest des Satzes bewusst offen, um mich stattdessen ebenfalls höflich zu verneigen. Voll Ungeduld wartete ich darauf, was sie jetzt sagen würde, denn der Zeitpunkt, meine Forderung auszusprechen, musste wohl überlegt sein.
Sie sah zu mir und sagte mit einem Lächeln, von dem ich nicht wusste, ob es ein freundliches oder ein überhebliches Lächeln war: «Auch wenn du nicht mein Vater wärest, könnte ich mir keinen würdigeren Mann vorstellen als dich. Es wäre eine Freude und eine Ehre gleichermaßen für mich, wenn du diese Bürde auf dich nehmen würdest, Vater.»
«Für den Thron Ägyptens und für mein Land habe ich noch jede Bürde auf
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