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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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Lebens alles war, was sie ihm ließ. Aber konnte ich ihr nicht etwas abverlangen? Konnte ich nicht von ihr fordern, ihn schon jetzt zum Zweiten Sehenden des Aton in Achet-Aton zu bestimmen? Damit würde sie ihn für immer an diese Stadt binden, und doch wäre zugleich für Tutanchaton ein Amt gefunden, das ihm Würde und Ansehen verlieh, wenn er erwachsen war. Aber nicht nur das: Er könnte einst für sich in Anspruch nehmen, dass er das geistige Erbe seines Vaters verwaltete, also dessen wahrhafter Nachfolger sei.
    Auch ich musste dieses Ansinnen in aller Öffentlichkeit stellen, damit Nofretete es nicht ablehnen konnte. Denn welchen vernünftigen Grund konnte sie haben, Tutanchaton eine Laufbahn als Priester zu verwehren? So schien es mir zuletzt wichtig, dass sie ihre Zusage vor allen Großen der Beiden Länder gab. Zufrieden mit meinen Gedanken, griff ich nach dem Weinbecher vor mir. Ich trank einen kräftigen Schluck des schweren syrischen Weins, von welchem mir Echnaton erst wenige Monate vor seinem Tod einige Krüge geschenkt hatte. Dann sah ich wieder hinauf zu der schmalen Mondsichel und versuchte, dem unruhigen Flug der Fledermäuse zu folgen, die nur für die Dauer eines Wimpernschlags vor dem hellen Hintergrund des Nachtgestirns zu sehen waren. Welch freies und sorgloses Leben diese Tiere doch führten!
     
    Schon wenige Tage nach der Beisetzung Pharaos kamen in der Stadt jene Unruhe und Rastlosigkeit auf, wie man sie immernur vor der Krönung eines Herrschers erlebte. Wo es nötig war, wurden die Wände der Tempel und Paläste gestrichen, und wo den Menschen genug Zeit blieb, tünchten sie ihre eigenen Häuser. Die meiste Betriebsamkeit herrschte in den Häfen der Stadt, wo man Tag für Tag unzählige Schiffe entlud: Wein und Bier aus dem Norden; ganze Herden von Schafen und Ziegen, die man sogleich in die Stallungen neben den Schlachthöfen trieb; Getreide, Olivenöl und Gemüse jeder Art, denn die Landgüter aus der näheren Umgebung Achet-Atons wären nicht imstande gewesen, alle, die man in den nächsten Tagen noch erwartete, zu ernähren. Die Herbergen füllten sich mit Fremden aus allen Teilen der beiden Länder, mit Großen und Mächtigen, Händlern und Priestern, Beamten und Bauern. Und wie immer kamen neben anständigen Musikanten, Tänzern und Händlern auch allerlei zwielichtige Gestalten in die Stadt. Je näher der Festtag rückte, umso länger und lauter wurden die Nächte, umso mehr Dienerinnen der Hathor boten in Höfen und Gassen ihre Dienste an, umso mehr wurde dort aber auch betrogen und gestohlen. Es waren die Tage und Nächte, da Mahu und seine Polizisten kein Auge mehr schlossen. Anders als vor und nach der Bestattung Nimurias fehlten diesmal diejenigen, die das Volk mit Hetzreden aufwiegelten. Zumindest war von Aufrührern nichts zu sehen und zu hören. Ich war mir sicher, dass sich genug von ihnen in der Stadt aufhielten; doch solange sie die genauen Absichten Nofretetes nicht kannten, hielten sie sich offenbar zurück. Mahu behagte dies gar nicht, denn er hätte lieber beizeiten gewusst, wer sie waren, um sie noch vor den Feiern verhaften und einsperren zu können.
    Und noch etwas fiel auf: Von ausländischen Gästen, von unseren Freunden aus Mitanni, aus Babylon und aus Syrien, war kaum einer zu sehen. Weder die Könige Tuschratta und Burra-Buriyash konnten einen Abgesandten schicken noch irgendeiner der syrischen Fürsten, denn die hethitischen Heere hatten ihre Länder von Ägypten abgeschnitten. Nur Suppiluliuma, der König aus dem fernen Hattuscha, und sein Vasall, der verlogeneAziru, Herrscher von Amurru, der Rib-Addi von Byblos, unseren einstigen Verbündeten, ermordet hatte, schickten Boten, wenngleich sie von nur untergeordnetem Rang waren. In Wirklichkeit kamen sie doch nur als Späher in unser Land! Mahu sorgte deswegen dafür, dass sie keinen Schritt machen konnten, ohne dabei beobachtet zu werden.
    Deswegen hatte Nofretete auch gut daran getan, Haremhab den Befehl zu geben, im Norden zu bleiben, falls die Hethiter die Tage der Feierlichkeiten nutzen würden, um unsere Freunde in Syrien noch mehr zu bedrängen oder gar nach Ägypten selbst vorzurücken. Dennoch kamen mehr und mehr Soldaten nach Achet-Aton. Unauffällig und auf viele Schiffe verteilt kamen sie. Mit jeder Lieferung Getreide, mit jedem Schiff, das Wein oder Öl in die Stadt brachte, kamen einige Dutzend und verschwanden schnell und unauffällig in die Kaserne am Stadtrand. Sie alle kamen aus Waset. Nur

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