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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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und doch birgt er einige Weisheit in sich: nämlich die Einsicht, etwas Geschehenes nicht mehr ungeschehen machen zu können.»
     
    Alles war vorbereitet.
    Nicht nur die Stadt, auch die Menschen, die in ihr lebten, strahlten einen Reichtum und einen Glanz aus, wie man es vorher kaum gesehen hatte. Die Gärten und Plätze waren üppiger bepflanzt denn je, und über der ganzen Stadt lag wie eine unsichtbare Wolke der Geruch Tausender Blüten, kostbarsten Weihrauchs und gebratenen Fleisches gleichermaßen. Und da, wo viele Menschen auf engstem Raum zusammenkamen, auf den Vorplätzen der Tempel, den Märkten und Einkaufsstraßen, trat noch der Duft verwirrender Salböle, oft vermischt mit dem scharfen Geruch schwitzender Menschen, hinzu. Jeder wusste, was er zu tun hatte. Das einfache Volk kannte die Plätze, von wo aus es den Zug der Herrscherin und ihrer Töchter am besten beobachten konnte, die Beamten und die Handwerker kannten jene Höfe der Paläste, in die sie vordringen durften, wenn die Titulatur Semenchkares verkündet wurde. Den Priestern, den hohen Würdenträgern Ägyptens und den wenigen bedeutenden Gästen der Fremdländer wurden im Inneren des Palastes genau die Plätze gezeigt, die ihnen nach ihrem Rang und ihrem Ansehen zustanden, und neidvolle Blicke wurden hierbei ebenso gewechselt wie herablassende und verächtliche.
    Früh am Morgen, es war lange vor Sonnenaufgang, traf ich mit Tutanchaton im Audienzsaal ein. Allen Anwesenden waren Aufregung und Anspannung gleichermaßen anzusehen, und in der würdevollen Stille des von unzähligen Fackeln und Kerzen hell erleuchteten Saals grüßte man sich nur schweigend mit einem Kopfnicken. Hin und wieder hörte ich, wie man sich hinter Tutanchaton und mir Dinge zutuschelte, die gewiss nicht für unsere Ohren bestimmt waren.
    «Im Grunde ist der Alte zu bedauern», heuchelte einer sein Mitleid mit mir. Ein anderer fragte seinen Nachbarn, wie lange der Kleine wohl noch zu leben hätte. Jetzt fehlte mir mein Freund Ameni, dem ich die Gemeinheiten unauffällig hätte mitteilen können, damit er die Lästerer zur Rede stellte, wie er es früher mit den aufrührerischen Priestern des Amun getan hatte. So aber war ich zum Schweigen verurteilt. Doch ich wusste sehr wohl, wer sie waren, und behielt ihre Namen gut im Gedächtnis.
    Meine Schwester war vor mir eingetroffen und hatte bereits auf ihrem Thron, der etwas seitlich versetzt vor dem Nofretetes stand, Platz genommen. Sie war die Einzige, auf die Tutanchaton und ich zugingen, um sie mit einem Kuss zu begrüßen. Dann stellten wir uns hinter sie und sahen schweigend in den Saal, der sich mehr und mehr füllte, hinab.
    Endlich öffneten sich die Torflügel neben den Königsthronen. Aus dem hell erleuchteten langen Gang, der dahinter lag, kam Nofretete mit ihren Töchtern und ihrem Gefolge. Noch mehr Soldaten als sonst säumten ihren Weg, in Zweierreihen standen sie dort Spalier. Trompetenklänge gaben allen Anwesenden das Zeichen, sich vor der Königin und ihren Töchtern niederzuwerfen. Einzig Teje, Tutanchaton und mir war es erlaubt, stehen zu bleiben. Nofretete trug die Doppelkrone: die hohe, weiße Krone Oberägyptens, die in die rote Krone Unterägyptens gesetzt war. In ihren Händen hielt sie Geißel und Krummstab. Ihre Arme zierten mehrere goldene Armreife, und über einem dünnen, mit Goldfäden durchwirkten Gewand ruhte auf ihrenSchultern ein breiter Kragen aus Gold, Lapislazuli und Karneol. In ihrem schweren Prunkgürtel steckte ein Zierdolch. So war sie mit beinahe allen Zeichen der Pharaonenwürde versehen. Einzig auf den heiligen Zeremonialbart, den unsere Herrscher in der Vergangenheit bei allen feierlichen Anlässen trugen, hatte sie verzichtet. Dies war für uns alle das erste, nicht zu übersehende Zeichen, dass meine Tochter nicht wie einst Hatschepsut Maat-ka-Re ein weiblicher Pharao sein wollte, sondern alleinige Herrscherin, Königin der Beiden Länder. Meritaton trug die Doppelfederkrone einer Großen königlichen Gemahlin, und wie eine solche schritt sie neben ihrer Mutter einher.
    Nachdem sich Nofretete, Meritaton und ihre Schwestern auf ihren Thronen niedergelassen hatten, machte ich einen Schritt nach vorn und rief mit lauter Stimme:
    «Die Tochter Atons ist erschienen, Anchet-chepru-Re, die Herrscherin über Ober- und Unterägypten, sie lebe, sei heil und gesund, geliebt von Aton, in heiligen Gestalten Semenchkare, geliebt von Waen-Re.»
    Während ein gewaltiger Fanfarenstoß ertönte,

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